Montag, 3. Oktober 2016


Auf den Strassen der Nachkriegszeit

Sie stieg noch am gleichen Tag ins Flugzeug. Ich versuchte sie zu ueberreden zu bleiben. Das Teufelchen auf der Schulter hatte sich just in dem Moment aus dem Staub gemacht, indem sie mir mit zitternder Unterlippe erzaehlte, dass sie nicht hier bleiben wolle. Dass sie sich nicht wohl fuehle. Ich hatte alles auf meine Hormone geschoben. Die eine “Nebenbuhlerin” im Moment schwierig akzeptieren wollten. Das nimmt einem normalerweise ja jeder ab. Eigentlich ist: “Ich habe meine Tage!” beinahe die Anwort auf jede Frage.
Warum bist du so schlecht drauf? -Ich habe meine Tage.
Weshalb willst du keinen Sex?-Ich habe meine Tage.
Warum bist du nicht zum Maedelsabend gekommen?-Ich habe meine Tage.
Wer wird wohl die US-Wahlen gewinnen?... Naja auf fast jede jedenfalls.
Nur hatte ich eben nicht meine Tage, sondern eine Schwiegermutter. Das war mindestens genauso belastend. 
Sie schien meine Gefuehle zu verstehen…behauptete sie jedenfalls. Das waere auch gar nicht der Grund, weshalb sie gehen wolle. Sie habe Heimweh. Das Wetter wuerde sie bedruecken. Ich dachte eigentlich, dass Deutschland weltweit bekannt dafuer ist, geographisch und klimatisch nicht in der Suedsee zu liegen. Ich fahre doch auch nicht in die Arktis, aermellos. Bis Amerika schien dies aber noch nicht vorgedrungen zu sein oder es hielt sich noch fabuloes als nicht bewiesenes Geruecht . Oder so!
Und langweilig waere es auch. Sie hatte sich erhofft mehr zu unternehmen. Nun mal Butter bei die Fische: Bist du zwei Wochen, nachdem du geworfen hast, wieder Fallschirm gesprungen? Vermutlich nicht, sonst haettest du naemlich einige deiner Innereien auf dem Weg nach unten vorloren. Ich fuehlte mich wie ein ausgeleihertes Kondom, dass sich auch noch edelmuetig um den Nachwuchs kuemmern sollte. Wobei, schlechter Vergleich, ein ausgeleihertes Kondom koennte wohl relativ gut fuer Nachwuchs sorgen.
Bevor es zu wirr wird: sie war weg. Einfach so. Und ich wollte darueber sprechen. Reflektieren, was wohl falsch gelaufen sein koennte. Wie das Frauen eben so machen. Justin war da der falsche Ansprechpartner.
“Meine Mutter ist eben eine sehr liebe, aufopferungsvolle Person, du konntest damit scheinbar nicht umgehen. Done. Move on!”
“Great!”
Mit wem sollte ich die Situation nun also reflektieren. Meine linke Brust schien sich irgendwie angesprochen zu fuehlen und reagierte mit einer fetten Entzuendung. Milchstau! Hoert sich noch zu harmlos an, fuer das, was mich da erwarten wuerde. Es fuehlte sich an, als wuerde jemand mit deiner Brust ‘Brennessel’ spielen. (Kennt ihr noch das fiese Kinderspiel?). Nur 10 mal schlimmer. Dazu kommt das Gefuehl eine Grippe auszubrueten.
Nachdem ich mich mit Gedanken wie ‘abstillen’ und ‘Brustamputation’ virtuell beschaeftigt hatte, ging die Entzuendung genauso schnell, wie sie gekommen war. Ich fuehlte mich erleichtert. Es war ein gutes Gefuehl nun alleine fuer das kleine Maeuschen sorgen zu duerfen.
Happy End? Schoen waers! Nicht nur meine Schwiegermutter hatte ihre Probleme mit der Stadt, dem Land, mit mir, mit der ganzen Welt…nein, auch Justin fiel in ein Loch.
Er war nun bald ein Jahr in Deutschland, was bedeutete, dass er auch beinahe ein Jahr nicht mehr in Kalifornien war. Was bedeutete, dass er seit fast einem Jahr die Sonne nicht mehr gesehen hatte. Was bedeutete, dass er seit fast einem Jahr kein Vitamin-D mehr bildete. Was bedeutete, dass er  enorm ungluecklich war. Zu allem Ueberfluss hatte er waehrend meiner Schwangerschaft noch mehr an Schwangerschaftspfunden zugelegt als ich. Und ich war meine Pfunde schon nahezu los. Er nicht! Irgendwie hatte sein Stoffwechsel noch nicht verstanden, dass die Schwangerschaft vorueber war. Er durfte wieder abnehmen! Na los!
“Es ist immer so schwer zu hungern, wenn das Wetter so schlecht ist!”, behauptete  Justin und klopfte sich ungestuem auf die Wampe, als wuerde er versuchen, sie mit einem Fleischklopfer platt zu walzen. Irgendwie befanden wir uns in einer Endlosschleife. Keine Sonne, kein Vitamin D, ungluecklich. Keine Sonne, kein Antrieb abzunehmen, ungluecklich. Unsere einziger Weg aus dem Dilemma war Sonne. Und die ist in Deutschland manchmal schwer zu finden. Oft schwer zu finden. Und in Wuppertal ganz selten mal zu finden.
Und wenn die Stimmung schon so schlecht ist. Dann ist auch alles andere schlecht.
“Die Leute sind komisch, das Essen ist so fettig (sagt ein Amerikaner??), ist die Strasse noch aus dem ersten Weltkrieg?”
Ich hatte Angst vor dem Gespraech und zoegerte es so lange hinaus, bis es ging. Mit der Hoffnung, dass es sich von alleine ergab. Dass er doch noch gefallen an meiner Heimat finden koennte. Er sich ploetzlich auch heimisch fuehlte. Er ueber Nacht ploetzlich 25 Kilo verlor oder der Klimawandel sich in Deutschland durch 340 Tage Sonne im Jahr auszeichnete.
Irgendwann kam das Gespraech. Und mit ihm die Gewissheit, dass wir wohl nicht in Deutschland bleiben wuerden.

Samstag, 24. September 2016


Die Schwiegermutter Regel

Wie fange ich an? Ohne, dass irgendjemand etwas falsches ueber mich denken koennte. Ohne, dass SIE es komplett in den falschen Hals bekommt. Sollte sie sich ueberhaupt die Muehe machen, es irgendwann mal zu uebersetzen. Und selbst wenn: sie weiss doch ohnehin wie ich zu ihr stehe. Oder?
Ich mag meine Schwiegermutter, irgendwie, manchmal! Nein wirklich! Sie ist ein herzlicher guter Mensch, etwas launisch vielleicht, aber sind wir das nicht alle? Bestimmt liegt es an mir. Oder an der offen ausgesprochenen Regel, dass man seine Schwiegermutter einfach scheusslich finden muss, manchmal! Nein wirklich! Die meiste Zeit komme ich wirklich gut mit ihr aus!
Schlechtes Gewissen beruhigt, dann kann ich ja jetzt loslegen!
Es war vermutlich falsches Timing! Da kommt jemand in dein Nest und macht es sich dort so richtig bequem, ruelpst, pupst und schneidet sich die Zehennaegel auf dem Kuechentisch (naja ein bisschen Hohn muss sein). Na gut, sie reinigt es auch und besorgt das Futter…und widmet sich mit aller Hingabe dem fremden Nachwuchs, als waere es ihr eigener. Arrrrrgh!
Ich bekam einen schoenen Empfang, als wir aus dem Krankenhaus kamen. Alles war sehr gruendlich geputzt, gebohnert, ja fast steril, wie es mir schien. Ach ja stimmt, so sah der Fussboden zu Beginn mal aus. Eiche, massiv, schoen. Die Staubschichten entfernt und aus der Kueche erwartete mich ein angenehmer Duft nach frischer Huehnersuppe. Frisch zubereitet! So richtig mit ‘ganzem Huhn kochen’ und so. Toll! Aber wer macht sich in Zeiten von Maggi und Knorr noch die Muehe. Nur jemand der etwas plante. Der damit irgend etwas eigennuetziges erreichen wollte. Ganz bestimmt!
“Soll ich dir den Kleinen abnehmen, waehrend du isst?”, fragte sie fast beilaeufig, waehrend sie den riesigen Kochloeffel durch die Suppe gleiten liess. Aha!!
“Das waere nett!”, hoerte ich mich sagen und war mir in dem Moment selbst nicht ganz sicher, ob ich es so meinte.
Ich schluerfte meine Suppe, sie hielt das kleine Knaeuel, das ganz entspannt und zufrieden gluckste. Ich erwischte mich, wie ich hoffte es wuerde ganz fuerchterlich anfangen zu weinen. Am besten sollte es herzzerreissend nach seiner Mama bruellen. Nun mach schon! Puh, wie gemein ich doch war. Woher kamen nur diese finsteren Gedanken?
Auf meiner linken Schulter sass ein Teufelchen, das Justins Mutti als gefaehrliche Konkurrenz empfand und sie ganz schnell loswerden wollte, auf der rechten ein Engelchen, so eins mit blonden Loeckchen und weissem Spitzenkleidchen, dass furchtbares Bedauern fuer die dunklen Gedanken des Teufelchens empfand.
Und beide zerrten an mir und wollten mich ganz fuer sich allein. Hoffentlich schafften sie es nicht, mich komplett zu zerreissen.
“Du musst sie als Bedienstete sehen. Tue so, als waere sie eine bezahlte Nanny, die nur ihren Job macht und nach drei Monaten wieder gen Heimat fliegt! Und geniesse verdammt nochmal deine Freizeit, solange es geht!”, gab mir Rosalie, meine gute Freundin den Tipp.
Vielleicht hast du recht, dachte ich. Ich versuche mich in die Rolle der Hollywoodmamas reinzuversetzten, Angelina Jolie zum Beispiel. (Kurze Ausschweifung: auch schon gehoert, dass sie und Brad Pitt sich scheiden lassen? Whaaat? Seit Justin in Deutschland wohnt, geht es in Hollywood total den Bach runter!)
Zwei Tage funktionierte es. Dann fielen mir die Haare aus, hormonbedingt oder (schwiegermama-)stressbedingt oder weil sie mir mein Teufelchen auf der linken Seite herausrupfte. Extensions sind teuer. Ich muss das wohl so akzeptieren. Drei Haare auf dem Kopf und mindestens 3000 borstige an den Beinen. Und mein Kind heisst auch nicht Apple, Prince Michael oder North West. Nein! Ich bin kein Hollywoodstar. Und SIE ist nicht unsere Nanny. Sie ist nur eine verweifelte Dame mittleren, bis hoeheren Alters, die gerade eine gewaltige Midlife Crisis durchlebt und ganz zufaellig Niklas Oma ist! (Sorry, das Teufelchen hat gesprochen.)
Wenn sie wenigstens scheisse waere. Wuerde sie mir doch die durch die Geburt gelittene Schwabbelwampe taetscheln und eingestehen: “Wow, also wenn du nicht vorhast demnaechst 3-4 Stunden taeglich sit-ups zu machen, dann wird das dieses Leben aber nichts mehr mit der Bikinifigur.”
Stattdessen sprudelte sie laechelnd los: “Unglaublich, schau dir das an. Was fuer ein flacher Bauch und das drei Wochen nach der Geburt. Bald sieht der wieder aus, wie zuvor!” Siehst du, nette Schwiegermama, befand das Engelchen.
Wie soll ich ihr in so einem Moment meine Meinung sagen: “Oh vielen Dank fuer das Kompliment. Trotzdem gehst du mir sowas von auf die Nuesse mit deinem staendigen Einnehmen. Und nur weil du einige Jahrzehnte zuvor mal zwei mehr oder weniger gelungene Kinder in die Welt gesetzt hast, heisst das nicht, dass du die Weisheit mit Loeffeln gefressen hast.” Ich konnte das nicht, ich wollte das nicht, ich war feige! Und ueberhaupt war ich nicht ueberzeugt davon, dass ich im Recht war.
Dann wurde eben stille Post gespielt. Ich liess Justin wissen, wie ich empfand. Und er daraufhin seine Mutter. Die verbarrikadierte sich dann im Gaestezimmmer, den ganzen Abend, die ganze Nacht, den ganzen Morgen. Mich plagte das schlechte Gewissen. Warum war ich nur so inkonsequent? Ich klopfte und hoerte sie schluchzen. Ich drueckte sanft die Klinke hinunter und stahl einen Blick in den kleinen, dunklen Raum. Ihre Koffer waren bereits gepackt.

Samstag, 17. September 2016


Von der Melone, die durch ein Nadeloehr passen sollte


“Ich will einen Kaiserschnitt! Sofort!”, bruellte ich unbaendig, waehrend mir die junge Aerztin mit dem Ultraschallgeraet ueber den Bauch fuhr. Kenne ich dich nicht aus der Schule? Warst du nicht mindestens zwei Klassen unter mir? Verdammt, was habe ich falsch gemacht, schoss es mir argwoehnisch durch den Kopf.
“Das schaffen Sie!”, versicherte mir das junge Ding, waehrend es etwas im Mutterpass notierte. Na immerhin siezt sie mich. Sie scheint sich doch noch zu erinnern, dass ich mehrere Klassen ueber ihr war. Oder erkennt sie mich nicht? Hab ich wirklich so zugelegt?
“Der kleine Mann wiegt ca. 3600g. Das ist gut zu schaffen. “ Was sie wohl gesagt haette, waeren es 500g mehr gewesen.
“Oh, ich glaube Sie haben Recht. Diesen Brocken da unten rauszupressen, koennte sich als schwierig gestalten. Viel…aeh Glueck!” Oder so aehnlich!
“Ich will eine PDA! Auf der Stelle!” Ich stampfte energisch mit dem Fuss aus. Dafuer erhielt ich einen Boxhieb in die Blase.
“Erst einmal muss jemand ihr Blut abnehmen, um die Gerinnung etc. zu ueberpruefen.”
Mir egal, ich verblute  zur Not auch! Erloest mich bitte nur schnell von dieser Tortur! Im Uebrigen, waere es nicht ohnehin reichlich problematisch wenn nun heraus kommen wuerde ich haette die Krankheit Bluter? Haette man das nicht im Vorfeld mal abklaeren koennen? Ich ueberlebe das nicht!
Mir war zum Heulen zumute. Ich wollte nur noch nach Hause.
“Ich brauche JETZT etwas gegen die Schmerzen!”,  bibberte ich ins Leere.
“Sie koennten erst einmal ein Entspannungsbad nehmen”, sagte die Hebamme geloest. Ihre rotblonden Haare bissen sich mit der rosee farbenen Krankenhauskluft.
So gechillt wie du gerade bist, scheinst du das Wasser ja schonmal vorgetestet zu haben. Und ausserdem…lieg du mal relaxt im Entspannungsbad, wenn du das Gefuehl hast, jemand spielt gerade “ping pong” mit deinen Eierstoecken. Eben!
Sie schien meine Gedanken erahnen zu koennen.
“Wir koennten es ja mal mit Lachgas versuchen!”, schlug sie mit milder Stimme vor.
Na siehste! Es geht doch!
Ich lag da und fuehlte mich, als wuerde ich etwas furchtbar Verbotenes tun. Seit Monaten ohne jegliche Drogen (nicht, dass ich sonst so viel eingeschmissen haette…). Und nun lag ich da, der winzige Raum schwankte unkontrollierbar von rechts nach links, mein Mund pappte, als haette ich Zement getrunken und meine Beine….keine Ahnung was mit denen passierte. Die schlackerten irgendwo rum und gehoerten scheinbar gar nicht mehr zu meinem Koerper. Ich fuehlte mich total bekifft.
Nach einer gefuehlten Ewigkeit, in der ich komplett fern von dieser Welt, schluchzend und stoehnend vor mich hinvegetierte, bekam ich endlich die erloesende Spritze in den Ruecken.
Justin schnarchte derweilen ungeniert auf der harten Bank im Kreissaal. Wie kann der jetzt schlafen? Das waere das gleiche, als waere ich bei Niklas Entstehung im Endspurt eingeratzt, waehrend Justin sich einen abrackert. Naja, lassen wir das!
Als er durch die schreiende Frau im Nachbarszimmer aufschreckte, fragte er die Hebamme bierernst, ob sie eventuell einen Raum zum schlafen haette, wo er mal etwas zur Ruhe kommen koennte. Er waere so muede.
Nimm DU doch einfach das Entspannungsbad. Das hat die Hebamme ohnehin fuer dich schon vorgewaermt, schoss es mir hoehnisch durch den Kopf.
“Das ist jetzt zu spaet! Das Baby ist gleich da!”, donnerte sie gegen die beaengstigenden Schreie im Nebenzimmer an.
Ist es? Jetzt schon? Das geht mir jetzt doch alles irgendwie zu schnell. Justins Mutter kreischte derweilen aufgeregt und winkte ihn hektisch zu sich heran. Nein! Bitte nicht in die Tabuzone! Bitte nicht mit freiem Blick direkt auf das Geschehen! Du bist Schuld, wenn es nun nie mehr zum Geschwisterchen kommt.
So hockten zwei –that’s so exciting- Amis, eine total relaxte Hebamme und eine Aerztin, die ich in der 7. Klasse als Idoetzchen gepiesakt hatte vor meinen weiblichen Kronjuwelen und warteten, bis das nur roundabout 3600g schwere Leichtgewicht locker den Ausgang passierte. Na toll!
Ich presste und presste und dachte, mein Kopf zerspringt.
“Da ist er ja, ihr kleiner Schatz!” Die Hebamme legte mir ein ein nasses, suesslich richtendes, flutschiges Paket auf die Brust. Mir liefen Traenen der Anstrengung, der Erleichterung und des puren Gluecks die Wange hinab und purzelten auf den winzigen, roten Koerper. Das war meins, das hatte ich gemacht! Wahnsinn!
Justin derweilen musterte seinen Sohn skeptisch.
“Der Kopf aeh, warum sieht der so merkwuerdig aus?”, stammelte er und zeigte auf den durch die Geburt einem Straussenei aehnelndem Kopf.
“Das verformt sich noch. In einer halben Stunde, haben Sie ein ganz huebsches Baby!”
Justin schien erleichtert. Nun konnte auch er das nahezu perfekte Knaeuel geniessen.
“Er sieht aus, wie du!” Justins Mutter winselte glueckselig. Sie legte einen Arm um ihren Sohn und mit der anderen streichelte sie sanft Niklas babyzartes Gesicht. Ein sehr intimer Moment.  Bisweilen konnte niemand ahnen, dass dies nur die Ruhe vor dem Orkan war. Und das sich die vertraute Naehe schon sehr bald in abnorme Distanz verwandeln sollte.

Sonntag, 11. September 2016


Welcome back deutsch-amerikanisches Chaos

So, ich melde mich nun auch mal zurueck, um euch auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen.
Naja, eigentlich steht das ‘Ding’ noch gar nicht. Es liegt gerade friedvoll schlummernd neben mir und duftet latent nach gegorener Milch.
Babypause klingt zu eminent, kreative Schaffenspause liest sich zu schwuelstig. 
Tatsaechlich wurde ich irgendwo zwischen der elendigen Diskussion ueber zu viele barbusige Abonnements bei Instagram und dem vierten Wodka-O im Hotelzimmer schwanger. Auf dem 8-taegigen Palm-Springs-wir-vermissen-uns-so-schrecklich-Trip.  Nicht gerade romantisch, aber dafuer umso effektiver. Ob es geplant war? Einseitig wuerde ich behaupten. Ich hatte Justins eindeutiges Geplaenkel ueber die glueckliche Vorstellung einer Familie und seinen Screenshot vom potentiellen Aussehen unseres Babys wohl etwas zu ernst genommen. Ihn immer nur dann darauf hingewiesen, dass ich nicht verhuete, wenn er bereits leicht, bis mittelschwer alkoholisiert war. Anders gesagt: Ich habe, typisch deutsch, all das, was ihm entschluepft ist fuer voll genommen. Er hat, typisch amerikanisch, nichts so gemeint, wie er es gesagt hatte. Das Dilemma war perfekt!
Nach dem inzwischen erdnussgrossen Schreck, brauchte er verstaendlicherweise erstmal Zeit, um  auf einem kroatischen House-Festival mit seinem Schicksal ins Reine zu kommen. Warum nicht! Ich war ohnehin derweil Morgen fuer Morgen damit beschaeftigt, irgendwie die Scheibe Brot mit Erdbeermarmelade herunterzuwuergen und sie, Gott erbarme dich, auch drin zu behalten.
Einige Tage spaeter hatte er sich dann damit abgefunden, inmitten seiner Jugend, schon mit 34 Jahren Papa  zu werden. Er entschloss sich spontan zu mir nach Deutschland zu ziehen. Wow, das war zunaechst einmal schwerer zu verdauen, als die allmorgendliche Scheibe Graubrot. Ein Kalifornier in Wuppertal. Justin in meiner Heimat! Ich hatte befehlshaberische Phatansien.
Glueck fuer uns, dass zu der Zeit ohnehin eine Welle von Fluechtlingen ueber uns rollte, da fiel ein Schwarzkopf mehr oder weniger kaum mehr ins Gewicht und es musste keine ueberstuerzte Hochzeit mit dicker Babywampe erfolgen.
In Ruhe konnte ein (mit riesigen amerikanischen Flaggen ausgelegtes) Nest gebaut und mit der Namensfindung gestartet werden. Inspiriert von der Hollywood’schen High Society erschien uns ‘Springs’, als Anlehnung an den Zeugungsort als romantisch, sollte es ein Maedchen werden. Was so ein paar Schwangerschaftshormone in der Lage sind anzurichten. Es wurde dann zum Glueck ein Junge. Nachdem mein Wunsch Lenny, aufgrund der Assoziation mit seinem uebergewichtigen Onkel Lenny rausfiel und sein Wunsch Brody (Ernsthaft??) aus unzaehligen Gruenden keinen Gefallen bei mir fand, pendelte sich unsere Very-Impotant-Person-Attituede dann auf ein normales Level ein. Es sollte ein Niklas werden. Das wuerde sowohl meine, als auch seine family ganz easy aussprechen koennen. Tja, dachte ich so. Pustekuchen! Dazu spaeter mehr.
Niklas gehoert zwar schon laenger nicht mehr in die Top Ten der beliebtesten Namen, ist aber auf der Liste der ‘Sexiest Maennernamen’ immerhin auf Platz sieben. Das war zumindet einem von uns sehr wichtig. (Welcome back amerikanische Oberflaechlichkeit…)
Der Name stand, die Wohnung stand (auf amerikanischen Saeulen), die Geburtsangst stand (mir ins Gesicht geschrieben) und seine Mutter aus Hollister stand…eines Tages vor unserer Tuer und wollte sich fuer drei Monate bei uns einquartieren. Hilfe! Was hatte mich geritten, da zuzustimmen!? Hatte ich ueberhaupt zugestimmt? Koennte ich das eventuell noch wiederufen unter Einbeziehung meiner Schwangerschaftsdemenz oder so. Ich betete fuer Frieden, es kam zum Disput, doch zunaechst sah noch alles rosig aus. Als ich ploetzlich dolle Kraempfe verspuerte, und sich unter dem Gefuehl eine Wasserbombe waere geplatzt ein rosee farbenes Liquid, den Weg durch meine Joga-Hose (fancy oder?) bahnte und sich auf dem Parkett im Flurbereich ansammelte. Die Fruchtblase war geplatzt! Nun ging es wirklich los. Wir fuhren ins Krankenhaus. Verfuhren uns. Fanden es doch. Stolperten zu viert in den Kreissaal. Justin, seine Mutter, ich und der Kleine, der sich unmissverstaendlich versuchte nach draussen zu wurschteln. Ich rechnete mit Stunden, vielleicht Tagen. Und dann ging es ploetzlich doch ziemlich schnell…