Montag, 3. Oktober 2016


Auf den Strassen der Nachkriegszeit

Sie stieg noch am gleichen Tag ins Flugzeug. Ich versuchte sie zu ueberreden zu bleiben. Das Teufelchen auf der Schulter hatte sich just in dem Moment aus dem Staub gemacht, indem sie mir mit zitternder Unterlippe erzaehlte, dass sie nicht hier bleiben wolle. Dass sie sich nicht wohl fuehle. Ich hatte alles auf meine Hormone geschoben. Die eine “Nebenbuhlerin” im Moment schwierig akzeptieren wollten. Das nimmt einem normalerweise ja jeder ab. Eigentlich ist: “Ich habe meine Tage!” beinahe die Anwort auf jede Frage.
Warum bist du so schlecht drauf? -Ich habe meine Tage.
Weshalb willst du keinen Sex?-Ich habe meine Tage.
Warum bist du nicht zum Maedelsabend gekommen?-Ich habe meine Tage.
Wer wird wohl die US-Wahlen gewinnen?... Naja auf fast jede jedenfalls.
Nur hatte ich eben nicht meine Tage, sondern eine Schwiegermutter. Das war mindestens genauso belastend. 
Sie schien meine Gefuehle zu verstehen…behauptete sie jedenfalls. Das waere auch gar nicht der Grund, weshalb sie gehen wolle. Sie habe Heimweh. Das Wetter wuerde sie bedruecken. Ich dachte eigentlich, dass Deutschland weltweit bekannt dafuer ist, geographisch und klimatisch nicht in der Suedsee zu liegen. Ich fahre doch auch nicht in die Arktis, aermellos. Bis Amerika schien dies aber noch nicht vorgedrungen zu sein oder es hielt sich noch fabuloes als nicht bewiesenes Geruecht . Oder so!
Und langweilig waere es auch. Sie hatte sich erhofft mehr zu unternehmen. Nun mal Butter bei die Fische: Bist du zwei Wochen, nachdem du geworfen hast, wieder Fallschirm gesprungen? Vermutlich nicht, sonst haettest du naemlich einige deiner Innereien auf dem Weg nach unten vorloren. Ich fuehlte mich wie ein ausgeleihertes Kondom, dass sich auch noch edelmuetig um den Nachwuchs kuemmern sollte. Wobei, schlechter Vergleich, ein ausgeleihertes Kondom koennte wohl relativ gut fuer Nachwuchs sorgen.
Bevor es zu wirr wird: sie war weg. Einfach so. Und ich wollte darueber sprechen. Reflektieren, was wohl falsch gelaufen sein koennte. Wie das Frauen eben so machen. Justin war da der falsche Ansprechpartner.
“Meine Mutter ist eben eine sehr liebe, aufopferungsvolle Person, du konntest damit scheinbar nicht umgehen. Done. Move on!”
“Great!”
Mit wem sollte ich die Situation nun also reflektieren. Meine linke Brust schien sich irgendwie angesprochen zu fuehlen und reagierte mit einer fetten Entzuendung. Milchstau! Hoert sich noch zu harmlos an, fuer das, was mich da erwarten wuerde. Es fuehlte sich an, als wuerde jemand mit deiner Brust ‘Brennessel’ spielen. (Kennt ihr noch das fiese Kinderspiel?). Nur 10 mal schlimmer. Dazu kommt das Gefuehl eine Grippe auszubrueten.
Nachdem ich mich mit Gedanken wie ‘abstillen’ und ‘Brustamputation’ virtuell beschaeftigt hatte, ging die Entzuendung genauso schnell, wie sie gekommen war. Ich fuehlte mich erleichtert. Es war ein gutes Gefuehl nun alleine fuer das kleine Maeuschen sorgen zu duerfen.
Happy End? Schoen waers! Nicht nur meine Schwiegermutter hatte ihre Probleme mit der Stadt, dem Land, mit mir, mit der ganzen Welt…nein, auch Justin fiel in ein Loch.
Er war nun bald ein Jahr in Deutschland, was bedeutete, dass er auch beinahe ein Jahr nicht mehr in Kalifornien war. Was bedeutete, dass er seit fast einem Jahr die Sonne nicht mehr gesehen hatte. Was bedeutete, dass er seit fast einem Jahr kein Vitamin-D mehr bildete. Was bedeutete, dass er  enorm ungluecklich war. Zu allem Ueberfluss hatte er waehrend meiner Schwangerschaft noch mehr an Schwangerschaftspfunden zugelegt als ich. Und ich war meine Pfunde schon nahezu los. Er nicht! Irgendwie hatte sein Stoffwechsel noch nicht verstanden, dass die Schwangerschaft vorueber war. Er durfte wieder abnehmen! Na los!
“Es ist immer so schwer zu hungern, wenn das Wetter so schlecht ist!”, behauptete  Justin und klopfte sich ungestuem auf die Wampe, als wuerde er versuchen, sie mit einem Fleischklopfer platt zu walzen. Irgendwie befanden wir uns in einer Endlosschleife. Keine Sonne, kein Vitamin D, ungluecklich. Keine Sonne, kein Antrieb abzunehmen, ungluecklich. Unsere einziger Weg aus dem Dilemma war Sonne. Und die ist in Deutschland manchmal schwer zu finden. Oft schwer zu finden. Und in Wuppertal ganz selten mal zu finden.
Und wenn die Stimmung schon so schlecht ist. Dann ist auch alles andere schlecht.
“Die Leute sind komisch, das Essen ist so fettig (sagt ein Amerikaner??), ist die Strasse noch aus dem ersten Weltkrieg?”
Ich hatte Angst vor dem Gespraech und zoegerte es so lange hinaus, bis es ging. Mit der Hoffnung, dass es sich von alleine ergab. Dass er doch noch gefallen an meiner Heimat finden koennte. Er sich ploetzlich auch heimisch fuehlte. Er ueber Nacht ploetzlich 25 Kilo verlor oder der Klimawandel sich in Deutschland durch 340 Tage Sonne im Jahr auszeichnete.
Irgendwann kam das Gespraech. Und mit ihm die Gewissheit, dass wir wohl nicht in Deutschland bleiben wuerden.

Samstag, 24. September 2016


Die Schwiegermutter Regel

Wie fange ich an? Ohne, dass irgendjemand etwas falsches ueber mich denken koennte. Ohne, dass SIE es komplett in den falschen Hals bekommt. Sollte sie sich ueberhaupt die Muehe machen, es irgendwann mal zu uebersetzen. Und selbst wenn: sie weiss doch ohnehin wie ich zu ihr stehe. Oder?
Ich mag meine Schwiegermutter, irgendwie, manchmal! Nein wirklich! Sie ist ein herzlicher guter Mensch, etwas launisch vielleicht, aber sind wir das nicht alle? Bestimmt liegt es an mir. Oder an der offen ausgesprochenen Regel, dass man seine Schwiegermutter einfach scheusslich finden muss, manchmal! Nein wirklich! Die meiste Zeit komme ich wirklich gut mit ihr aus!
Schlechtes Gewissen beruhigt, dann kann ich ja jetzt loslegen!
Es war vermutlich falsches Timing! Da kommt jemand in dein Nest und macht es sich dort so richtig bequem, ruelpst, pupst und schneidet sich die Zehennaegel auf dem Kuechentisch (naja ein bisschen Hohn muss sein). Na gut, sie reinigt es auch und besorgt das Futter…und widmet sich mit aller Hingabe dem fremden Nachwuchs, als waere es ihr eigener. Arrrrrgh!
Ich bekam einen schoenen Empfang, als wir aus dem Krankenhaus kamen. Alles war sehr gruendlich geputzt, gebohnert, ja fast steril, wie es mir schien. Ach ja stimmt, so sah der Fussboden zu Beginn mal aus. Eiche, massiv, schoen. Die Staubschichten entfernt und aus der Kueche erwartete mich ein angenehmer Duft nach frischer Huehnersuppe. Frisch zubereitet! So richtig mit ‘ganzem Huhn kochen’ und so. Toll! Aber wer macht sich in Zeiten von Maggi und Knorr noch die Muehe. Nur jemand der etwas plante. Der damit irgend etwas eigennuetziges erreichen wollte. Ganz bestimmt!
“Soll ich dir den Kleinen abnehmen, waehrend du isst?”, fragte sie fast beilaeufig, waehrend sie den riesigen Kochloeffel durch die Suppe gleiten liess. Aha!!
“Das waere nett!”, hoerte ich mich sagen und war mir in dem Moment selbst nicht ganz sicher, ob ich es so meinte.
Ich schluerfte meine Suppe, sie hielt das kleine Knaeuel, das ganz entspannt und zufrieden gluckste. Ich erwischte mich, wie ich hoffte es wuerde ganz fuerchterlich anfangen zu weinen. Am besten sollte es herzzerreissend nach seiner Mama bruellen. Nun mach schon! Puh, wie gemein ich doch war. Woher kamen nur diese finsteren Gedanken?
Auf meiner linken Schulter sass ein Teufelchen, das Justins Mutti als gefaehrliche Konkurrenz empfand und sie ganz schnell loswerden wollte, auf der rechten ein Engelchen, so eins mit blonden Loeckchen und weissem Spitzenkleidchen, dass furchtbares Bedauern fuer die dunklen Gedanken des Teufelchens empfand.
Und beide zerrten an mir und wollten mich ganz fuer sich allein. Hoffentlich schafften sie es nicht, mich komplett zu zerreissen.
“Du musst sie als Bedienstete sehen. Tue so, als waere sie eine bezahlte Nanny, die nur ihren Job macht und nach drei Monaten wieder gen Heimat fliegt! Und geniesse verdammt nochmal deine Freizeit, solange es geht!”, gab mir Rosalie, meine gute Freundin den Tipp.
Vielleicht hast du recht, dachte ich. Ich versuche mich in die Rolle der Hollywoodmamas reinzuversetzten, Angelina Jolie zum Beispiel. (Kurze Ausschweifung: auch schon gehoert, dass sie und Brad Pitt sich scheiden lassen? Whaaat? Seit Justin in Deutschland wohnt, geht es in Hollywood total den Bach runter!)
Zwei Tage funktionierte es. Dann fielen mir die Haare aus, hormonbedingt oder (schwiegermama-)stressbedingt oder weil sie mir mein Teufelchen auf der linken Seite herausrupfte. Extensions sind teuer. Ich muss das wohl so akzeptieren. Drei Haare auf dem Kopf und mindestens 3000 borstige an den Beinen. Und mein Kind heisst auch nicht Apple, Prince Michael oder North West. Nein! Ich bin kein Hollywoodstar. Und SIE ist nicht unsere Nanny. Sie ist nur eine verweifelte Dame mittleren, bis hoeheren Alters, die gerade eine gewaltige Midlife Crisis durchlebt und ganz zufaellig Niklas Oma ist! (Sorry, das Teufelchen hat gesprochen.)
Wenn sie wenigstens scheisse waere. Wuerde sie mir doch die durch die Geburt gelittene Schwabbelwampe taetscheln und eingestehen: “Wow, also wenn du nicht vorhast demnaechst 3-4 Stunden taeglich sit-ups zu machen, dann wird das dieses Leben aber nichts mehr mit der Bikinifigur.”
Stattdessen sprudelte sie laechelnd los: “Unglaublich, schau dir das an. Was fuer ein flacher Bauch und das drei Wochen nach der Geburt. Bald sieht der wieder aus, wie zuvor!” Siehst du, nette Schwiegermama, befand das Engelchen.
Wie soll ich ihr in so einem Moment meine Meinung sagen: “Oh vielen Dank fuer das Kompliment. Trotzdem gehst du mir sowas von auf die Nuesse mit deinem staendigen Einnehmen. Und nur weil du einige Jahrzehnte zuvor mal zwei mehr oder weniger gelungene Kinder in die Welt gesetzt hast, heisst das nicht, dass du die Weisheit mit Loeffeln gefressen hast.” Ich konnte das nicht, ich wollte das nicht, ich war feige! Und ueberhaupt war ich nicht ueberzeugt davon, dass ich im Recht war.
Dann wurde eben stille Post gespielt. Ich liess Justin wissen, wie ich empfand. Und er daraufhin seine Mutter. Die verbarrikadierte sich dann im Gaestezimmmer, den ganzen Abend, die ganze Nacht, den ganzen Morgen. Mich plagte das schlechte Gewissen. Warum war ich nur so inkonsequent? Ich klopfte und hoerte sie schluchzen. Ich drueckte sanft die Klinke hinunter und stahl einen Blick in den kleinen, dunklen Raum. Ihre Koffer waren bereits gepackt.

Samstag, 17. September 2016


Von der Melone, die durch ein Nadeloehr passen sollte


“Ich will einen Kaiserschnitt! Sofort!”, bruellte ich unbaendig, waehrend mir die junge Aerztin mit dem Ultraschallgeraet ueber den Bauch fuhr. Kenne ich dich nicht aus der Schule? Warst du nicht mindestens zwei Klassen unter mir? Verdammt, was habe ich falsch gemacht, schoss es mir argwoehnisch durch den Kopf.
“Das schaffen Sie!”, versicherte mir das junge Ding, waehrend es etwas im Mutterpass notierte. Na immerhin siezt sie mich. Sie scheint sich doch noch zu erinnern, dass ich mehrere Klassen ueber ihr war. Oder erkennt sie mich nicht? Hab ich wirklich so zugelegt?
“Der kleine Mann wiegt ca. 3600g. Das ist gut zu schaffen. “ Was sie wohl gesagt haette, waeren es 500g mehr gewesen.
“Oh, ich glaube Sie haben Recht. Diesen Brocken da unten rauszupressen, koennte sich als schwierig gestalten. Viel…aeh Glueck!” Oder so aehnlich!
“Ich will eine PDA! Auf der Stelle!” Ich stampfte energisch mit dem Fuss aus. Dafuer erhielt ich einen Boxhieb in die Blase.
“Erst einmal muss jemand ihr Blut abnehmen, um die Gerinnung etc. zu ueberpruefen.”
Mir egal, ich verblute  zur Not auch! Erloest mich bitte nur schnell von dieser Tortur! Im Uebrigen, waere es nicht ohnehin reichlich problematisch wenn nun heraus kommen wuerde ich haette die Krankheit Bluter? Haette man das nicht im Vorfeld mal abklaeren koennen? Ich ueberlebe das nicht!
Mir war zum Heulen zumute. Ich wollte nur noch nach Hause.
“Ich brauche JETZT etwas gegen die Schmerzen!”,  bibberte ich ins Leere.
“Sie koennten erst einmal ein Entspannungsbad nehmen”, sagte die Hebamme geloest. Ihre rotblonden Haare bissen sich mit der rosee farbenen Krankenhauskluft.
So gechillt wie du gerade bist, scheinst du das Wasser ja schonmal vorgetestet zu haben. Und ausserdem…lieg du mal relaxt im Entspannungsbad, wenn du das Gefuehl hast, jemand spielt gerade “ping pong” mit deinen Eierstoecken. Eben!
Sie schien meine Gedanken erahnen zu koennen.
“Wir koennten es ja mal mit Lachgas versuchen!”, schlug sie mit milder Stimme vor.
Na siehste! Es geht doch!
Ich lag da und fuehlte mich, als wuerde ich etwas furchtbar Verbotenes tun. Seit Monaten ohne jegliche Drogen (nicht, dass ich sonst so viel eingeschmissen haette…). Und nun lag ich da, der winzige Raum schwankte unkontrollierbar von rechts nach links, mein Mund pappte, als haette ich Zement getrunken und meine Beine….keine Ahnung was mit denen passierte. Die schlackerten irgendwo rum und gehoerten scheinbar gar nicht mehr zu meinem Koerper. Ich fuehlte mich total bekifft.
Nach einer gefuehlten Ewigkeit, in der ich komplett fern von dieser Welt, schluchzend und stoehnend vor mich hinvegetierte, bekam ich endlich die erloesende Spritze in den Ruecken.
Justin schnarchte derweilen ungeniert auf der harten Bank im Kreissaal. Wie kann der jetzt schlafen? Das waere das gleiche, als waere ich bei Niklas Entstehung im Endspurt eingeratzt, waehrend Justin sich einen abrackert. Naja, lassen wir das!
Als er durch die schreiende Frau im Nachbarszimmer aufschreckte, fragte er die Hebamme bierernst, ob sie eventuell einen Raum zum schlafen haette, wo er mal etwas zur Ruhe kommen koennte. Er waere so muede.
Nimm DU doch einfach das Entspannungsbad. Das hat die Hebamme ohnehin fuer dich schon vorgewaermt, schoss es mir hoehnisch durch den Kopf.
“Das ist jetzt zu spaet! Das Baby ist gleich da!”, donnerte sie gegen die beaengstigenden Schreie im Nebenzimmer an.
Ist es? Jetzt schon? Das geht mir jetzt doch alles irgendwie zu schnell. Justins Mutter kreischte derweilen aufgeregt und winkte ihn hektisch zu sich heran. Nein! Bitte nicht in die Tabuzone! Bitte nicht mit freiem Blick direkt auf das Geschehen! Du bist Schuld, wenn es nun nie mehr zum Geschwisterchen kommt.
So hockten zwei –that’s so exciting- Amis, eine total relaxte Hebamme und eine Aerztin, die ich in der 7. Klasse als Idoetzchen gepiesakt hatte vor meinen weiblichen Kronjuwelen und warteten, bis das nur roundabout 3600g schwere Leichtgewicht locker den Ausgang passierte. Na toll!
Ich presste und presste und dachte, mein Kopf zerspringt.
“Da ist er ja, ihr kleiner Schatz!” Die Hebamme legte mir ein ein nasses, suesslich richtendes, flutschiges Paket auf die Brust. Mir liefen Traenen der Anstrengung, der Erleichterung und des puren Gluecks die Wange hinab und purzelten auf den winzigen, roten Koerper. Das war meins, das hatte ich gemacht! Wahnsinn!
Justin derweilen musterte seinen Sohn skeptisch.
“Der Kopf aeh, warum sieht der so merkwuerdig aus?”, stammelte er und zeigte auf den durch die Geburt einem Straussenei aehnelndem Kopf.
“Das verformt sich noch. In einer halben Stunde, haben Sie ein ganz huebsches Baby!”
Justin schien erleichtert. Nun konnte auch er das nahezu perfekte Knaeuel geniessen.
“Er sieht aus, wie du!” Justins Mutter winselte glueckselig. Sie legte einen Arm um ihren Sohn und mit der anderen streichelte sie sanft Niklas babyzartes Gesicht. Ein sehr intimer Moment.  Bisweilen konnte niemand ahnen, dass dies nur die Ruhe vor dem Orkan war. Und das sich die vertraute Naehe schon sehr bald in abnorme Distanz verwandeln sollte.

Sonntag, 11. September 2016


Welcome back deutsch-amerikanisches Chaos

So, ich melde mich nun auch mal zurueck, um euch auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen.
Naja, eigentlich steht das ‘Ding’ noch gar nicht. Es liegt gerade friedvoll schlummernd neben mir und duftet latent nach gegorener Milch.
Babypause klingt zu eminent, kreative Schaffenspause liest sich zu schwuelstig. 
Tatsaechlich wurde ich irgendwo zwischen der elendigen Diskussion ueber zu viele barbusige Abonnements bei Instagram und dem vierten Wodka-O im Hotelzimmer schwanger. Auf dem 8-taegigen Palm-Springs-wir-vermissen-uns-so-schrecklich-Trip.  Nicht gerade romantisch, aber dafuer umso effektiver. Ob es geplant war? Einseitig wuerde ich behaupten. Ich hatte Justins eindeutiges Geplaenkel ueber die glueckliche Vorstellung einer Familie und seinen Screenshot vom potentiellen Aussehen unseres Babys wohl etwas zu ernst genommen. Ihn immer nur dann darauf hingewiesen, dass ich nicht verhuete, wenn er bereits leicht, bis mittelschwer alkoholisiert war. Anders gesagt: Ich habe, typisch deutsch, all das, was ihm entschluepft ist fuer voll genommen. Er hat, typisch amerikanisch, nichts so gemeint, wie er es gesagt hatte. Das Dilemma war perfekt!
Nach dem inzwischen erdnussgrossen Schreck, brauchte er verstaendlicherweise erstmal Zeit, um  auf einem kroatischen House-Festival mit seinem Schicksal ins Reine zu kommen. Warum nicht! Ich war ohnehin derweil Morgen fuer Morgen damit beschaeftigt, irgendwie die Scheibe Brot mit Erdbeermarmelade herunterzuwuergen und sie, Gott erbarme dich, auch drin zu behalten.
Einige Tage spaeter hatte er sich dann damit abgefunden, inmitten seiner Jugend, schon mit 34 Jahren Papa  zu werden. Er entschloss sich spontan zu mir nach Deutschland zu ziehen. Wow, das war zunaechst einmal schwerer zu verdauen, als die allmorgendliche Scheibe Graubrot. Ein Kalifornier in Wuppertal. Justin in meiner Heimat! Ich hatte befehlshaberische Phatansien.
Glueck fuer uns, dass zu der Zeit ohnehin eine Welle von Fluechtlingen ueber uns rollte, da fiel ein Schwarzkopf mehr oder weniger kaum mehr ins Gewicht und es musste keine ueberstuerzte Hochzeit mit dicker Babywampe erfolgen.
In Ruhe konnte ein (mit riesigen amerikanischen Flaggen ausgelegtes) Nest gebaut und mit der Namensfindung gestartet werden. Inspiriert von der Hollywood’schen High Society erschien uns ‘Springs’, als Anlehnung an den Zeugungsort als romantisch, sollte es ein Maedchen werden. Was so ein paar Schwangerschaftshormone in der Lage sind anzurichten. Es wurde dann zum Glueck ein Junge. Nachdem mein Wunsch Lenny, aufgrund der Assoziation mit seinem uebergewichtigen Onkel Lenny rausfiel und sein Wunsch Brody (Ernsthaft??) aus unzaehligen Gruenden keinen Gefallen bei mir fand, pendelte sich unsere Very-Impotant-Person-Attituede dann auf ein normales Level ein. Es sollte ein Niklas werden. Das wuerde sowohl meine, als auch seine family ganz easy aussprechen koennen. Tja, dachte ich so. Pustekuchen! Dazu spaeter mehr.
Niklas gehoert zwar schon laenger nicht mehr in die Top Ten der beliebtesten Namen, ist aber auf der Liste der ‘Sexiest Maennernamen’ immerhin auf Platz sieben. Das war zumindet einem von uns sehr wichtig. (Welcome back amerikanische Oberflaechlichkeit…)
Der Name stand, die Wohnung stand (auf amerikanischen Saeulen), die Geburtsangst stand (mir ins Gesicht geschrieben) und seine Mutter aus Hollister stand…eines Tages vor unserer Tuer und wollte sich fuer drei Monate bei uns einquartieren. Hilfe! Was hatte mich geritten, da zuzustimmen!? Hatte ich ueberhaupt zugestimmt? Koennte ich das eventuell noch wiederufen unter Einbeziehung meiner Schwangerschaftsdemenz oder so. Ich betete fuer Frieden, es kam zum Disput, doch zunaechst sah noch alles rosig aus. Als ich ploetzlich dolle Kraempfe verspuerte, und sich unter dem Gefuehl eine Wasserbombe waere geplatzt ein rosee farbenes Liquid, den Weg durch meine Joga-Hose (fancy oder?) bahnte und sich auf dem Parkett im Flurbereich ansammelte. Die Fruchtblase war geplatzt! Nun ging es wirklich los. Wir fuhren ins Krankenhaus. Verfuhren uns. Fanden es doch. Stolperten zu viert in den Kreissaal. Justin, seine Mutter, ich und der Kleine, der sich unmissverstaendlich versuchte nach draussen zu wurschteln. Ich rechnete mit Stunden, vielleicht Tagen. Und dann ging es ploetzlich doch ziemlich schnell…

Dienstag, 12. Mai 2015


Das dreimonatige Date und sein Abschied

Lange nichts gehört aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Aus dem Land, in dem der  „American Dream“ meist Traum bleibt, aber mit ganz viel Glück und noch viel mehr Verstand Wirklichkeit werden kann. Ja zugegeben, es ist ruhig geworden in den letzten Wochen. Um mich und meinen amerikanischen Traum(mann).  Was nicht heißt, dass dieser in den Tiefen des Pazifiks von Haien zerfetzt und anschließend als kleine Köttelchen auf dem Meeresboden niedergelegt wurde. (Noch nie Gedanken darüber gemacht, wie Fischscheiße überhaupt aussieht! Ihr?) 
Inzwischen bin ich schon seit einem guten Monat wieder in Germany. Aus dem depressiven after-vacation Loch habe ich mich schwermütig (hatte doch tatsächlich ein paar Kilo zugenommen) wieder herausgezogen. Nun galt es sich hier wieder zu etablieren. Oder doch dort? Irgendwie fühlte ich mich so kurz nach meiner Rückkehr komplett zwischen den Stühlen. Den Jetlag hätte ich innerhalb weniger Tage loswerden sollen, doch habe mich stets geweigert. Zu verführerisch war es die halbe Nacht nach California zu skypen, um zu beteuern, wie sehr ich meinen Lover doch vermissen würde.
Aber gehen wir nochmal zwei Schritte zurück. Während die ersten sechs Wochen meines Abenteuers ewig zu dauern schienen, vergingen die letzten so erschreckend schnell, dass ich das Gefühl hatte, die Zeit gar nicht so richtig ausgekostet zu haben. Man kam immerhin nicht häufig dazu sich eine mehrmonatige Auszeit zu nehmen. Vermutlich würde das mein erstes und letztes Mal bleiben. 
Wir schafften es doch tatsächlich bis zum Schluss nicht, unsere Beziehung offiziell zu machen. Hatte ich denn wirklich drei Monate einen Mann „gedatet“, der jetzt still und heimlich wieder aus meinem Leben verschwinden würde, sobald ich den europäischen Boden erreicht hatte? Das konnte es doch nicht gewesen sein. Immerhin hatten wir in diesen drei Monaten so viele Höhen und Tiefen erlebt, wie es andere vermutlich in zehn Jahren Ehe nicht durchlebten. So anstrengend und frustrierend das teilweise war, so schweißte es doch zusammen. Hatten wir vielleicht einfach den Zeitpunkt verpasst „exclusive“ zu werden? Als Justin und ich kurz vor meiner Abreise auf der Straße zu einer Umfrage befragt werden und Auskunft über unseren Beziehungsstatus geben sollten, stellte er mich als seinen „Buddy“ vor. So ein Scheiß! Da wäre ich noch lieber das „Sexspielzeug“ an seiner Seite, als sein Kumpel. Daraufhin warf ich mich ihm demonstrativ auf offener Straße an den Hals, knutsche ihn auf Mund und Nacken und fragte die verdutzt dreinblickenden Männer in Streifenoptik provokativ, ob so ein Kumpelverhältnis aussehen würde. Okay  sorry, mein Verhalten war der Steigerung des deutschen Rufs im Ausland vermutlich nicht gerade zuträglich. Aber nach anfänglicher peinlicher Stille mussten dann doch alle lachen. Naja, unsere Beziehung, was auch immer es für eine war, lebte von der Provokation, den kurzen Auseinandersetzungen und anschließenden Versöhnungen. Das war vermutlich das was passierte, wenn zwei Temperamentsbolzen sich gegenseitig aufheizten. Es war nervenzehrend, aber wir fanden uns damit ab und schienen es irgendwann sogar zu genießen. 
Dann war er auf einmal da, der Tag des Abschieds. Und ich fühlte mich unvorbereitet. Ich wollte bleiben. Und doch wussten wir beide, dass es nicht ging. Abgesehen vom Visum, welches in drei Tagen ablaufen würde und vom Budget, welches schon vor einigen Wochen ausgeschöpft war, brauchten wir jetzt Zeit, um herauszufinden, ob wir eine Chance hatten. Ob wir einander so bedingungslos wollten, dass die Entfernung nur eine geographische war! Und ob wir irgendwann wieder zueinander finden wollten. Diese Ungewissheit fraß mich auf. Sie machte es für mich beinahe unmöglich die letzten Augenblicke zu genießen. Nein, ein Mensch der im Moment lebte, war ich ganz sicher nicht. Und eine Person loszulassen fiel mir schon in der Grundschule vor einer dreitägigen Klassenfahrt in die Eifel schwer. 
Wir fuhren nach Manhattan Beach, nahe des Flughafens Los Angeles. Es war ein kühler, aber sonniger Tag und als wir am Strand entlang schlenderten schmiegte ich mich fröstelnd an Justin. Verrückt! Ihn gleich nicht mehr bei mir zu haben. Beinahe unwirklich! Wir setzten uns in eine Bar, aßen und tranken nochmal zünftig und es lag ausnahmsweise mal keine Auseinandersetzung in der Luft. Alles war harmonisch. Nur in meinem Hals bildete sich ein riesiger Kloß, der das Sprechen und Schlucken zunehmend erschwerte. Auf dem Weg wenig später zum Flughafen brachen dann alle Dämme. Ich heulte hemmungslos drauflos und schniefte schluchzend in die Serviette, die ich präventiv im Restaurant in meiner Handtasche hatte verschwinden lassen. Justin parkte und brachte mich zum Gate. 

Ich heulte und spürte die mitleidigen und gerührten Blicke der Leute im Nacken. Auch Justin schien berührt. Er streichelte meinen Kopf und versicherte mir, dass wir uns bald wiedersehen würden. Seine Augen glitzerten zart in der Reflektion des Sonnenlichtes auf der riesigen Glasscheibe. So standen wir dort, vielleicht 5 Minuten oder auch mehr. Dann löste ich sanft seine Umarmung, küsste ihn noch einmal auf seine kratzige Wange, trat einige Schritte zurück und wendete mich der Rolltreppe zu, die mich in die Sicherheitszone bringen würde. Ich murmelte noch ein heiseres „Goodbye“, dass er vermutlich nicht mehr hören würde. Die Fahrt bis auf die obere Etage schien ewig zu sein. Beinahe oben angekommen schaute ich ihm noch einmal hinterher, wie er mit gesenktem Kopf über die Straße ging. Ich hoffte, dass er sich noch einmal umdrehen würde. Zurück kommen würde! Mich bitten würde zu bleiben! Doch er tat es nicht! Er verschwand als dunkle Gestalt in den versmogten Tiefen des Parkhauses. 

Freitag, 10. April 2015

                                                              17
Marry that girl, marry her anyway
Das Sonnenlicht drängte sich behutsam durch die Rollos und erwärmte meinen Nacken. Justin wand sich gemächlich unter der Bettdecke und legte seinen Arm über meinen Bauch. Dann seufzte er ein paar Mal entspannt und schlummerte dezent schnarchend ein. Heute war einer der guten Tage. Es gab auch Schlechte. An eben solchen bestand die einzige Berührung aus einem kurzen Abschiedsschmatzer auf seinem Weg zur Arbeit. Heute am besten nicht mehr ansprechen, lautete dann die goldene Regel. Ich hielt mich nicht immer daran und bot somit Potenzial zum „fighten“. Wir beide waren einwandfreie „Fighter“ und wäre unsere Beziehung (die ja offiziell keine war) ein Boxkampf, würde den Zuschauern (also euch) ein spannender Kampf auf Augenhöhe geboten. Bei dem sich beide Boxer schon mehrfach, nach einem Beinahe-Knockout blutüberströmt wieder aufgerichtet hatten. Wer diesen Kampf gewinnen würde stand noch aus. Oder wer vorzeitig das Handtuch schmeißen würde. Im Zweifel war sowieso immer ich die Verliererin. 
„Schon klar! Du hast hier einfach nicht anderes zutun, als über alles mögliche nachzugrübeln. Suche dir mal ein Hobby, oder noch besser….einen Job!“
Wenn das mal so einfach wäre. Ohne Greencard! Mit nur mittelmäßigen Englischkenntnissen. Bei dreimonatigem Aufenthalt (inzwischen waren es ja nicht einmal mehr drei) Aber ok, versuchen konnte ich es mal. Ich verfasste ein paar Mails und hatte tatsächlich bereits am nächsten Vormittag ein Interview an einer deutsch-englischen Sprachschule. Nachdem ich mir wichtige Schlagwörter, wie zielstrebig, geduldig und pünktlich (die, die mich kennen, dürften schmunzeln) stundenlang ins Hirn eingebrannt hatte, war das Gespräch zu meiner Erleichterung auf Deutsch und dauerte stolze drei Minuten. Keine Greencard, kein Job!
„Du musst heiraten!“ befahl die Dame im Hamburger Schnack. „Verschwende nicht deine Zeit, du bist noch so jung!“ Ohne Job, aber konzentriert grübelnd verließ ich das Büro. Hatte die burschikose Dame recht gehabt? War es Justins Pflicht mich zu heiraten, damit ich bleiben konnte? Und wenn ja, wollte ich das überhaupt?                         
„Sind wir hier in Thailand? Ich heirate dich doch nicht nur wegen einer Aufenthaltsgenehmigung. Ich möchte aus Liebe heiraten!“ Justin wirkte gereizt, als ich ihn am Abend mit dem konventionellen Vorschlag meiner potentiellen Arbeitgeberin konfrontierte. Schlechter Tag für so ein Thema, ich hätte es wissen müssen. Nachdem er mir heute morgen nur einen „Luftikuss" zugeworfen hatte. 
„Naja, ist ja nicht so, als dass es sich in Deutschland schlecht leben ließe. Und man würde ja aus Liebe heiraten, eben weil man sich nicht wieder trennen möchte“, warf ich ein.  Justin grummelte missmutig und nippte an seinem Bier. 
Rein theoretisch gesehen: Hätte er jetzt zugestimmt, könnte ich dann behaupten, dass ich ihm einen Antrag gemacht hatte? Jedenfalls konnte ich mir nun denken, was Ehepaare mit: „Och, bei uns war der Antrag jetzt nicht so romantisch!“, meinten. Eine Auflistung von Vor- und Nachteilen einer Ehe mit einem schwergewichtigeren positiven Teil. Dabei konnte es sich um steuerliche Vorteile oder einem „Braten in der Röhre“ handeln. Und doch hatte es immer auch etwas mit Liebe zutun, denn man wollte ja schließlich zusammen sein. Neben allem romantischen Vorgeplänkel. Eine Eheschließung ist eben immer auch eine Entscheidung. Justin umging diese Entscheidung galant, indem er sie vertagte, auf unbestimmt Zeit. Sie irgendwo ganz weit in den Ozean warf, in dem sich Haie an ihr die Zähne ausbissen. Und ich sie nie finden würde. Dachte er! Dabei hatte ich hier genügend Zeit, um danach zu tauchen und sie ihm eines Tages von salzigem Meerwasser durchtränkt vor die Füße zu werfen. Doch für heute hatte er den Kampf erst einmal gewonnen. 
Aber auch wenn Justin mich nicht wollte und die Sprachschule mich nicht nahm, es flatterte dann doch noch mein Eintritt in die Topriege der Hollywoodstars ins Haus. Per Facebookmitteilung. Es handelte sich um einen Job für das deutsche Fernsehen. Ich sollte die neuesten Fashiontrends aus L.A. präsentieren. Und noch kurze Interviews geben. Na gut, meine Bezahlung war noch nicht ganz Hollywoodreif (50$ Aufwandsentschädigung), aber das würde mich in einigen Monaten, als millionenschwere Hollywooddiva vermutlich nicht mehr interessieren, wohl aber die exakte Raumtemperatur von 22,5°C im fünf Sterne Hotel in Beverly Hills, das mein durchtrainierter, mittzwanziger Manager für mich gebucht hatte. 
Wir vereinbarten Drehtermin, -ort und-bedingungen und trafen uns im Hause des Kameramanns für die Präsentation des ersten Trends. Seine herzensgute, südamerikanische Frau reichte uns grünen Tee aus bemalten Tontassen, während das Team die Licht- und Tonverhältnisse einstellte und die Rahmenbedingungen diskutierte. Und ich saß auf dem Liegestuhl, die Beine angespannt übereinander geschlagen, auf den Startschuss wartend. 
„Fall bloß nicht in den Pool!“, witzelte der Tonmann. Sah so wohl der Beginn einer großen Karriere aus? 
Gerade erschien mir das mit der Hochzeit doch realistischer. In meinen Gedanken sprang ich in den Pool. Und tauchte. Und fand die Entscheidung. Und warf sie Justin vor die Füße. Und er sagte tatsächlich ja.

Donnerstag, 2. April 2015



                                                                          16
Das Topmodel unter den Cities
Ich ging langsam genug, so dass nicht der Eindruck entstand, ich waere in Panik, aber so schnell, als dass er Probleme haben duerfte mir hinterherzukommen. Er stand noch immer im Tuerrahmen und starrte mir hinterher. Mein Stossgebet war erhoehrt worden, er hatte mich gehen lassen. Nicht ohne mich fuer den naechsten Tag wieder einzuladen…geschenkt. Ich wuerde ihm von nun an aus dem Weg gehen. Wie konnte ich ueberhaupt so naiv sein und den vagen Bekundungen eines alten, fremden Mannes glauben schenken. Ich war entruestet ueber mich selbst.
Es war noch einmal gut gegangen und ich wuerde daraus lernen, ganz sicher, ziemlich sicher, bestimmt! Justin starrte mich wenig spaeter argwoehnisch an, nachdem er sich aus seiner Anzughose heraus geschaelt hatte und sich erschoepft aufs Sofa fallen liess.
“Du bist zu diesem Mann nach Hause gegangen? Bist du noch ganz dicht?”, schimpfte er angesaeuert.
“Er ist Arzt, da dachte ich…!” Ich brach den Satz ab. Er hatte ja Recht. Es war reichlich daemlich das uneingeschraenkt zu Glauben, was einem ein alter, notgeiler Sack mit maessigen Englischkenntnissen verkaufte. Vielleicht war er Zuhaelter oder Marihuana-Dealer. Was auch immer…nie wieder!!
Themawechsel! Waehrend der Wochen, die ich nun schon in California verbrachte, draengte sich mir unweigerlich die Frage auf, was nach drei Monaten waere. Erstmal ein Rueckflug nach Hause. Und dann?
Ich began mir imaginaer eine Pro/Contra Liste zu erstellen. Wo liesse es sich wohl besser leben, in Kalifornien oder Nordrhein-Westfalen. Erster Punkt fuer die USA, klingt schon impressiver und verspricht Sonne, Palmen und Meer. So oft wie hier die Sonne scheint, mochte es in Deutschland vermutlich regnen…beinahe jeden Tag. 22 Grad bei strahlendem Sonnenschein verleiteten mich inzwischen dazu zu behaupten, es waere schlechtes
Wetter, wobei in Deutschland bei 15 Grad schon die Biergaerten ueberlaufen waeren. Jammern auf sehr hohem Niveau.
Verblueffend, dass die Tatsache, dass es waehrend der Oscarverleihung wie aus Eimern schuettete im Kalifornischen TV mehr Aufmerksamkeit erregte als…naja als…ok, der Regen WAR vermutlich das spannendste der diesjaehrigen Oscars. Lahme Veranstaltung!
Justin ueberlegte ja sogar, ob er bei mittelschwerem Nieselregen ueberhaupt ins Auto steigen sollte. Koennte ja rutschig sein. Wuerde mich auch nichtmehr wundern, wenn es hier Streufahrzeuge fuer einen moeglichen Platzregen geben wuerde. Ob die Groenlaender das deutsche Verkehrchaos bei 5 Zentimeter Neuschnee wohl auch so belaecheln? Uns Deutschen jedenfalls faellt erst nach 60 minuetiger Fahrt auf, dass die ganze Zeit ueber der Scheibenwischer quietschte, aus reiner Gewohnheit. Dabei schien doch gerade tatsaechlich einmal die Sonne. Ups wieder Regen, waere ja auch zu schoen gewesen. (Habe ich es jetzt tatsaechlich geschafft eine halbe Seite nur mit dem Thema “Wetter” zu fuellen??)
Wollen wir uns Deutschen aber auch mal einen Punkt goennen. Wir haben defintiv die bessere Fussballmannschaft. Da kommt die USA auch mit deutschem Trainer nicht heran. Ok, vielleicht bestuende eine klitzekleine Chance, wenn Juergen Klinsmann sich selbst einwechseln wuerde. Hoffentlich braeche er sich bei aller Haerte des amerikanischen Spiels nicht alle Knochen. Geschmeidige Ueberleitung zum naechsten Vorteil Deutschlands. Das Gesundheitssystem ist wesentlich besser. In den USA kann dir eine schwere Erkrankung nicht nur dein Leben, sondern dein gesamtes Vermoegen kosten. Muesste ich dann zugrunde gehen, weil mein Konto keine schwarzen Zahlen zeichnet?
Und bei der Arbeitsmentalitaet in Amerika, werden Krankheiten womoeglich noch beguenstigt. Die meisten Amerikaner haben nur zehn Tage Urlaub im Jahr. Ein Drittel von dem, was wir Deutschen haben. Naja, fuer die Kalifornier vermutlich halb so schlimm, wo sie doch taeglich vom Buerostuhl in den Pool huepfen koennten.
Um ueberhaupt mal dahin zu kommen, einen Job zu erlernen muss man in den USA ein Vermoegen fuer die Bildung zahlen, moechte man sein Kind nicht auf die allerletzte “Ghetto-Schule” schicken. Hier kostet grundsaetzlich alles und das nicht zu knapp. Naja, auf die Toilette darf man in Kalifornien meist noch umsonst, waehrend man in Deutschland grundsaetzlich Kleingeld (sind 70 Cent noch “klein”??) oder Tena-Lady in der Tasche haben sollte, sobald man seine eigenen vier Waende verlaesst.
Schaut man sich meine Pro und Contra Liste nun an, in der es spezifisch um die inneren Werte der beiden Regionen geht, scheint Deutschland eine Mutter Theresa zu sein, die gibt und gibt und Amerika viel mehr ein Uli Hoeness, riesige Klappe, aber gerade mal laenger nicht zu sprechen…
Wenn ich das Ganze jedoch oberflaechlich betrachten wuerde und rein nach dem Aeusseren gehen wuerde…
Guildo Horn vs Adam Levine!
Scheiss auf alle inneren Werte, ich will mehr als nur eine Nacht mit und in LA verbringen. Ob das ein Traum bleibt oder bald schon zur Realitaet, steht noch in den Sternen…ganz weit oben ueber Hollywood.