Mittwoch, 11. März 2015


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Wenn das Fass ueberlaeuft…
Die Stimmung war etwas unterkuehlt, als Justin mich einen Tag spaeter vom Flughafen in OC abholte.
“Wie war es in New York?”, fragte ich beilaeufig, waehrend ich nervoes auf meinem Kaugummi kaute.
“War ok, ich war allerdings ziemlich busy”, gab Justin an und gaehnte erschoepft. Ich nickte stumm. Hat man gemerkt, ansonsten haettest du dich ja mal etwas haeufiger melden koennen, dachte ich gereizt. Scheint ihn ja wahnsinnig zu interessieren, wie meine Zeit, mit seinen Eltern war. Oder war er gar eifersuechtig? Nachdem wir uns eine gewisse Zeit stur angeschwiegen hatten, fragte er dann monoton: “Und wie hat dir San Francisco so gefallen?” War mehr der Hoeflichkeit, denn echtem Interesse geschuldet, hatte ich das Gefuehl.
“War nett, bin nackig ueber die Golden Gate Bridge gelaufen und bin dann mit deiner Mummy in einer Schwulenbar versackt...” Selbst damit konnte ich seine Aufmerksamkeit nicht catchen.
Ich mochte die City, aber aus irgendeinem Grund fesselte sie mich nicht. Vielleicht waren es die Umstaende. Meine physische Verfassung war im Keller, das Wetter mit Nieselregen bescheiden und der Park in Mitten der City war umsaeumt von Baustellen. Zudem hatte sich Justin schon Tage zuvor nur noch sporadisch gemeldet. Mein Kopfkino leistete ohnehin Hoechstleitung. Schwierig da noch Platz fuer eine der schoensten Stadte der Welt zu finden. Wuerde ich mich also entscheiden muessen, wo ich leben wollte, ich wuerde L..A. praeferieren.
Wie viel doch eigentlich von der momentanen Gemuetslage abhing. Von Zufaellen. Vom Schicksal. Nein, zum Fruehstueck nicht zu viel Lavendeltee getrunken, aber wenn es einen wie aus dem Nichts nach Amerika verschlaegt, fragt man sich schon mal, was passiert waere, haette man an dem besagten Tag im letzten Sommer, dem Cali-Boy nicht geantwortet. Wuerde ich dann tatsaechlich gerade in der Kueche stehen, um meinem Ex-Macho Hueftsteak an Prinzessboehnchen zu brutzeln? Und wenn ich mich dann doch fuer den Lachs in Weissweinsosse entschieden haette, waere ich dann nicht um drei Uhr nachts von einem lauten uebel riecheneden Knall neben mir im Bett aus dem Schlaf gerissen worden? Da nimmt man sich einmal vor ueber der Guertellinie zu bleiben…
Einige Tage spaeter fuhr ich mit mit meiner Neu-Freundin vom Flughafen und ihrem Bruder nach L.A. Etwas Sightseeing, ein entspannter Tag. Wir waren Paparazzi unserer selbst. Immer auf der Suche nach dem perfekten Selfie, der uns bei Facebook die meisten ‘Likes’ einbringen wuerde. Das war nervenaufreibend. Im Endeffekt schossen wir tausend Bilder, aber hatten kaum etwas von der Stadt mitbekommen. Verrueckte, moderne Welt.
Der Plan war, dass mich Justin abends im zwanzig Minuten von Irvine entfernten Huntington-Beach abholte, waehrend sich meine Freunde bei einem bekifften, schwarzen 200 Kilo Mann die Kante gaben, um anschliessend bei ihm Couch zu surfen. Ups, war doch das 35 Minuten entfernte Long-Beach, befand meine Freundin, als wir schon auf dem Weg waren. Fand Justin nicht so lustig. Zu weit, zu nah an L.A., zu sehr waehrend der Rush Hour. Meine Freunde hatten Verstaendnis und fuhren mich selbstlos nach Huntington-Beach, mit dem Risiko, dass Big Daddy inzwischen seine Bar alleine geleert hatte. Justin nannte mir ein Restaurant, an dem wir uns eine Stunde spaeter treffen sollten. Er schien genervt. Warum war er genervt? Wo doch alle nach seiner Pfeife tanzten. Meine German-friends liessen mich auf einem grossen Parkplatz in der Main Street heraus. Ich war nun auf mich alleine gestellt, ohne Orientierung, bei pechschwarzer Nacht, an einem unbekannten Ort. Ich fragte mich durch. Es stellte sich heraus, dass die Main Street keine 30 Meter lange Einbahnstrasse, sondern die groesste Strasse im Ort war, welch Ueberraschung. Heisst: es wuerde mich 30 Minuten Fussweg kosten. Naja schien zum Gueck keine Ghetto Gegend zu sein. Nach 20 Minuten Fussweg (Puh, war ich ueberhaupt noch richtig?) schrieb Justin mir kurz und knapp, dass er nun da waere. Ich schickte ihm meinen Standort. Danke verrueckte, moderne Welt.
“So weit entfernt?”, meckerte er. “Dann beeile dich!” What? Er erwartete doch jetzt nicht tatsaechlich von mir, dass ich zu Fuss durch ein voellig unbekanntes Fleckchen Erde streichte, waehrend er im Auto, Daeumchen drehend auf mich wartete. Weniger flexibel, als eine Eisenstange. Also ging ich meines Weges und erreichte eine gefuehlte Ewigkeit spaeter das Ziel. Mein Boy schien die gute Laune heute wahrlich nicht gepachtet zu haben, wir schwiegen. Jetzt bloss jegliche Provokation vermeiden. Er bagann als Erster zu reden.
“Hast du meine Socken gesehen?”, fragte er bierernst.
“Welche genau? Die schwarzen, die grauen oder die, die du gerade an hast?”, feixte ich amuesiert. Er lachte nicht.
“Seit du da bist verschwinden staendig Klamotten”, befand er verdaechtig musternd.
“Du willst mir jetzt aber nicht ernsthaft unterstellen, dass ich deine Socken geklaut habe oder?” Mein Lachen wich purem Entsetzen. Dass er aeusserst ordentlich und organisiert schien, war mir schon vorher aufgefallen, aber dass ihn ein fehlendes paar Struempfe so in den Wahnsinn trieben…Seltsam!
“Nein, aber die waren echt teuer!”, grummelte er.
“Ach dann fehlen wohl die Diamantenbesetzten, wieso sagst du das nicht gleich!” Schien keine gute Methode zu sein ihn aufzuziehen, wenn er eh schon abging wie ein HB-Maennchen…
Zuhause angekommen, versuchte ich wirkich alles, um ihn vom Socken-Thema wegzubekommen. Wirklich alles… Klappte zehn Minuten, doch waehrend er sich seine Socken wieder anzog, schien es wieder hochzukommen.
Schon gut, einfache Loesung, ich wuerde nach ihnen suchen. Also durchkaemmte ich die kleine Wohnung und wurde tatsaechlich in meinem Koffer fuendig. Ich wandte mich zu ihm um, um sicher zu gehen, dass er mich nicht beobachtete hatte und positionierte die Struempfe unauffaellig neben der Waschmaschine.
Ich japste ueberrascht: “Na siehste, da sind sie ja! Problem geloest.” Justin schenkte mir keine Aufmerksamkeit. Er suchte nach neuen Streitthemen und er fand!
“Warum ist der Boden so dreckig, hast du dich im Schlamm gewaelzt?” Ne aber du waescht hier gerade mit extrem dreckiger Waesche, dachte ich. Ich entschied mich nach draussen zu gehen, um mich bei meiner Freundin via Skype ueber ihn auszukotzen. Als ich eine Stunde spaeter zurueck kam (Es kam einiges heraus, zum Schluss nur noch Galle), lag er schon im Bett. Und meckerte mal wieder drauf los, wo ich mich mitten in der Nacht rumtreiben wuerde. Annoying! Ich putzte mir die Zaehne ging noch flott zur Toilette und war dann bereit mich in die Hoehle des Loewen zu begeben. Als ich abspuelte lief das Fass ueber. Im wahrsten Sinne des Wortes…

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