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Wenn das Fass ueberlaeuft…
Die Stimmung war etwas unterkuehlt, als Justin mich einen
Tag spaeter vom Flughafen in OC abholte.
“Wie war es in New York?”, fragte ich beilaeufig, waehrend
ich nervoes auf meinem Kaugummi kaute.
“War ok, ich war allerdings ziemlich busy”, gab Justin an
und gaehnte erschoepft. Ich nickte stumm. Hat man gemerkt, ansonsten haettest
du dich ja mal etwas haeufiger melden koennen, dachte ich gereizt. Scheint ihn
ja wahnsinnig zu interessieren, wie meine Zeit, mit seinen Eltern war. Oder war
er gar eifersuechtig? Nachdem wir uns eine gewisse Zeit stur angeschwiegen
hatten, fragte er dann monoton: “Und wie hat dir San Francisco so gefallen?”
War mehr der Hoeflichkeit, denn echtem Interesse geschuldet, hatte ich das
Gefuehl.
“War nett, bin nackig ueber die Golden Gate Bridge gelaufen
und bin dann mit deiner Mummy in einer Schwulenbar versackt...” Selbst damit konnte
ich seine Aufmerksamkeit nicht catchen.
Ich mochte die City, aber aus irgendeinem Grund fesselte sie
mich nicht. Vielleicht waren es die Umstaende. Meine physische Verfassung war
im Keller, das Wetter mit Nieselregen bescheiden und der Park in Mitten der
City war umsaeumt von Baustellen. Zudem hatte sich Justin schon Tage zuvor nur
noch sporadisch gemeldet. Mein Kopfkino leistete ohnehin Hoechstleitung.
Schwierig da noch Platz fuer eine der schoensten Stadte der Welt zu finden.
Wuerde ich mich also entscheiden muessen, wo ich leben wollte, ich wuerde L..A.
praeferieren.
Wie viel doch eigentlich von der momentanen Gemuetslage
abhing. Von Zufaellen. Vom Schicksal. Nein, zum Fruehstueck nicht zu viel
Lavendeltee getrunken, aber wenn es einen wie aus dem Nichts nach Amerika
verschlaegt, fragt man sich schon mal, was passiert waere, haette man an dem
besagten Tag im letzten Sommer, dem Cali-Boy nicht geantwortet. Wuerde ich dann
tatsaechlich gerade in der Kueche stehen, um meinem Ex-Macho Hueftsteak an
Prinzessboehnchen zu brutzeln? Und wenn ich mich dann doch fuer den Lachs in
Weissweinsosse entschieden haette, waere ich dann nicht um drei Uhr nachts von
einem lauten uebel riecheneden Knall neben mir im Bett aus dem Schlaf gerissen
worden? Da nimmt man sich einmal vor ueber der Guertellinie zu bleiben…
Einige Tage spaeter fuhr ich mit mit meiner Neu-Freundin vom
Flughafen und ihrem Bruder nach L.A. Etwas Sightseeing, ein entspannter Tag.
Wir waren Paparazzi unserer selbst. Immer auf der Suche nach dem perfekten
Selfie, der uns bei Facebook die meisten ‘Likes’ einbringen wuerde. Das war
nervenaufreibend. Im Endeffekt schossen wir tausend Bilder, aber hatten kaum
etwas von der Stadt mitbekommen. Verrueckte, moderne Welt.
Der Plan war, dass mich Justin abends im zwanzig Minuten von
Irvine entfernten Huntington-Beach abholte, waehrend sich meine Freunde bei
einem bekifften, schwarzen 200 Kilo Mann die Kante gaben, um anschliessend bei
ihm Couch zu surfen. Ups, war doch das 35 Minuten entfernte Long-Beach, befand
meine Freundin, als wir schon auf dem Weg waren. Fand Justin nicht so lustig.
Zu weit, zu nah an L.A., zu sehr waehrend der Rush Hour. Meine Freunde hatten
Verstaendnis und fuhren mich selbstlos nach Huntington-Beach, mit dem Risiko,
dass Big Daddy inzwischen seine Bar alleine geleert hatte. Justin nannte mir
ein Restaurant, an dem wir uns eine Stunde spaeter treffen sollten. Er schien
genervt. Warum war er genervt? Wo doch alle nach seiner Pfeife tanzten. Meine
German-friends liessen mich auf einem grossen Parkplatz in der Main Street
heraus. Ich war nun auf mich alleine gestellt, ohne Orientierung, bei
pechschwarzer Nacht, an einem unbekannten Ort. Ich fragte mich durch. Es
stellte sich heraus, dass die Main Street keine 30 Meter lange Einbahnstrasse,
sondern die groesste Strasse im Ort war, welch Ueberraschung. Heisst: es wuerde
mich 30 Minuten Fussweg kosten. Naja schien zum Gueck keine Ghetto Gegend zu
sein. Nach 20 Minuten Fussweg (Puh, war ich ueberhaupt noch richtig?) schrieb
Justin mir kurz und knapp, dass er nun da waere. Ich schickte ihm meinen
Standort. Danke verrueckte, moderne Welt.
“So weit entfernt?”, meckerte er. “Dann beeile dich!” What?
Er erwartete doch jetzt nicht tatsaechlich von mir, dass ich zu Fuss durch ein
voellig unbekanntes Fleckchen Erde streichte, waehrend er im Auto, Daeumchen
drehend auf mich wartete. Weniger flexibel, als eine Eisenstange. Also ging ich
meines Weges und erreichte eine gefuehlte Ewigkeit spaeter das Ziel. Mein Boy
schien die gute Laune heute wahrlich nicht gepachtet zu haben, wir schwiegen.
Jetzt bloss jegliche Provokation vermeiden. Er bagann als Erster zu reden.
“Hast du meine Socken gesehen?”, fragte er bierernst.
“Welche genau? Die schwarzen, die grauen oder die, die du
gerade an hast?”, feixte ich amuesiert. Er lachte nicht.
“Seit du da bist verschwinden staendig Klamotten”, befand er
verdaechtig musternd.
“Du willst mir jetzt aber nicht ernsthaft unterstellen, dass
ich deine Socken geklaut habe oder?” Mein Lachen wich purem Entsetzen. Dass er
aeusserst ordentlich und organisiert schien, war mir schon vorher aufgefallen,
aber dass ihn ein fehlendes paar Struempfe so in den Wahnsinn trieben…Seltsam!
“Nein, aber die waren echt teuer!”, grummelte er.
“Ach dann fehlen wohl die Diamantenbesetzten, wieso sagst du
das nicht gleich!” Schien keine gute Methode zu sein ihn aufzuziehen, wenn er
eh schon abging wie ein HB-Maennchen…
Zuhause angekommen, versuchte ich wirkich alles, um ihn vom
Socken-Thema wegzubekommen. Wirklich alles… Klappte zehn Minuten, doch waehrend
er sich seine Socken wieder anzog, schien es wieder hochzukommen.
Schon gut, einfache Loesung, ich wuerde nach ihnen suchen.
Also durchkaemmte ich die kleine Wohnung und wurde tatsaechlich in meinem
Koffer fuendig. Ich wandte mich zu ihm um, um sicher zu gehen, dass er mich
nicht beobachtete hatte und positionierte die Struempfe unauffaellig neben der
Waschmaschine.
Ich japste ueberrascht: “Na siehste, da sind sie ja! Problem
geloest.” Justin schenkte mir keine Aufmerksamkeit. Er suchte nach neuen
Streitthemen und er fand!
“Warum ist der Boden so dreckig, hast du dich im Schlamm
gewaelzt?” Ne aber du waescht hier gerade mit extrem dreckiger Waesche, dachte
ich. Ich entschied mich nach draussen zu gehen, um mich bei meiner Freundin via
Skype ueber ihn auszukotzen. Als ich eine Stunde spaeter zurueck kam (Es kam
einiges heraus, zum Schluss nur noch Galle), lag er schon im Bett. Und meckerte
mal wieder drauf los, wo ich mich mitten in der Nacht rumtreiben wuerde.
Annoying! Ich putzte mir die Zaehne ging noch flott zur Toilette und war dann
bereit mich in die Hoehle des Loewen zu begeben. Als ich abspuelte lief das
Fass ueber. Im wahrsten Sinne des Wortes…
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