Donnerstag, 12. Februar 2015


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Zwischen Truthahnbrust und deutscher Schokotarte
Die Umarmung war herzlich und vertraut. Sie war Nahe der zweiten und in direkter Verwandschaft zur dritten imaginaeren Umarmung, die ich mir ausgemalt hatte. Zunaechst wurde ich herzhaft gedrueckt, dann mit Komplimenten ueberschuettet. Die Mum schien sich ehrlich zu freuen, mich kennenzulernen.
Es gibt einige grundlegende Unterschiede einer deutschen ersten Begegnung, im Gegensatz zu einer amerikanischen. Der Deutsche wuerde vermutlich die Hand geben oder unter starkem Alkoholeinfluss mit Delirium gegebenenfalls eine Umarmung mit Sicherheitsabstandes beider Unterkoerper vollziehen (Es wird so steif durchgefuehrt, wie es klingt!). Dann wuerde er sich vorstellen und kundtun, dass er sich sehr ueber deinen Besuch freue (…wenn sprechen noch moeglich).  Nachdem du allerdings von einem Amerikaner begruesst wurdest, ueberlegst du wahrhaftig, warum du einen ‘gescheiten’ Beruf gewaehlt hast und kein Topmodel geworden bist. Du wirst ueberhaeuft mit Komplimenten ueber dein wahnsinniges Aussehen.
Nachdem Justins Mum dies getan hatte, galt es herauszukristallisieren, ob sie jetzt wohl ein Gegenkompliment erwarten wuerde. Aber: Ja du hast auch wunderschoene Augen und eine klasse Figur fand ich dann doch etwas plump. Warum sich dann nicht deutsch und schuechtern fuer die Gastfreundschaft bedanken. “Das ist doch gar kein Problem, fuehle dich wie zuhause.” Ahhh, wie ich das hasste. Was grundsaetzlich so grosszuegig aufwartete, katapultierte einen schnell in eine Zwickmuehle. Sollte ich mich wirklich am Kuehlschrank bedienen, wann immer mir danach war und dem Dad gegebenenfalls seine letzte Bierflasche leer trinken? (Nicht, dass ich das bei dem amerikanischenen Urinal je in Erwaegung gezogen haette) Dabei wuerde ich mich unweigerlich unwohl fuehlen. Oder sollte ich mein Anliegen vorbringen, obwohl mir ja zuvor gesagt wurde, ich koenne mich bedienen. Dabei wuerde ich mich unweigerlich unwohl fuehlen. Also egal wie ich es machte, am Ende wuerden sich meine Wangen zartrosa faerben und ich wuerde wie ein Depp dastehen. Resuemierend brachte mich diese ausweglose Situation dazu im Notfall zu hungern und stuendlich auf dem WC aus dem Hahn etwas zu Trinken abzuzapfen.
Themenwechsel: Wie gefaellt man eigentlich Schwiegereltern in Spe innerhalb von einer Minute. Beim Dad ist das easy. Er muss bloss denken: Gut gemacht mein Junge, die haette ich an deiner Stelle auch geknallt! Bei der Mum ist das Ganze etwas anspruchsvoller. Man koennte vermutlich eine vielseitige Studie darueber schreiben. Meine Aufmerksamkeit muss gleichermassen unter ihr und ihrem Sohn aufgeteilt werden. Soweit die Theorie, hier die Praxis. Vater: done! Mutter: Ich wandte hemmungslos den gaengisten Trick an und drueckte ihr kleine Paeckchen von deutschen Teevariationen in die Hand und bemerkte anbei: “Justin hat mir verraten, wie sehr du Tee liebst?!” Dann wandte ich mich Justin zu, kraulte ihm den Nacken und kuesste ihn zaertlich auf die Wange. Mission completed!
Mein Beitrag zum Thanksgivingsmenue war die Zubereitung eines typisch deutschen Desserts. Justin bat mich darum, als ich noch in Deutschland war. Da Kochen und Backen zu meinen grossen Passionen gehoert, durfte das kein grosses Problem darstellen. Jedoch war nach dem googlen der ‘Bayrisch Crème’ meine Phantasie diesbezueglich ausgeschoepft. Warum dann nicht einfach etwas franzoesisches als deutsch verkaufen? Wem sollte das schon auffallen? Ich entschied mich fuer eine ‘Tarte au Chocolat an Himbeerbaiser’, welches ich ganz Bott als ‘Schokoladenkuchen mit Himbeerschlag’ verkaufte. Wohlklingend, wie die deutsche Sprache halt ist, damit es mir auch jeder abnahm.
Also stiefelten Justin und ich nach einem kurzen, deftigen Fruehstueck los, um einzukaufen. Gute deutsche Schokolade und Baiser hatte ich bereits aus Deutschland mitgebracht. Kaum vorstellbar, welch Drama der Beamte am Flughafen veranstaltet hatte, als ich ihm erzaehlte, ich haette eine Suessigkeit mit Ei und Zucker in Gepaeck. “Wie bitte, sie haben Eier mit?”, fragte er entlarvend.
“Werde ich jetzt verhaftet?”, schoss es mir ironisch durch den Kopf. Amerika, das Land in dem jegliche Art von Waffen erlaubt sind, aber Eier ein Problem darstellen? Kleiner Kick zwischen die Beine und es sind noch zwei Eier weniger, schmunzelte ich amuesiert gruebelnd. Im Endeffekt haben wir beide unsere zuckersuessen Eier behalten.
Die Lebensmittel waren wider erwarten schnell beisammen, an der Marmelade waere es fast gescheitert (jam, nicht marmalade!).
Waehrend der Zubereitung begann ich bereits Weisswein zu trinken. Zur Vollstaendigkeit halber, ich hatte nicht danach gefragt, er wurde mir angeboten (Zwickmuehle und so, siehe oben).Ich hoffte instaendig, dass es diesmal keinen Grund fuer mich gab, beleidigt zu sein. Damit wuerde ich mich direkt ins Aus katapultieren. Zu meiner Erleichterung bemerkte ich, dass der Alkohol mich heute eher locker, denn aggressiv machte. Als es klingelte, stand Justins Schwester mit ihren beiden Kindern vor der Tuer. Auch sie ueberhaeufte mich mit Komplimenten. Waehrend die Mum ihren Fokus eher auf Haare und Body legte, rueckte die Schwester die wunderschoenen Lippen und die kleine Stupsnase in den Fokus. Congratulations, ich schien rundum perfekt zu sein. J
Die Kinder speiste ich, im wahrsten Sinne des Wortes, mit einem riesigen Kinderschokoei ab(Ups, ich hatte geschwindelt, da waren ja noch mehr Eier im Koffer). Urspruenglich waren es mal zwei gewesen, aber hattet ihr schonmal nachts ploetzlich Heisshunger? Auch ihr ‘Yes’ zu ihrem Onkel hatte ich bereits. Fast zu einfach, um wahr zu sein.
Etwas angeschwipst setzte ich mich an den grossen runden Tisch, um zum ersten Mal im Leben einen zuenftigen Truthahn zu verputzen. Also mit etwas Hilfe der anderen natuerlich. Er wurde mit Bohnen und Suesskartoffelpueree gereicht. Es schmeckte grossartig. Nur war ich so angespannt, dass der Hunger, weitesgehend ausblieb. Trotzdem spachtelte ich todesmutig bis zum bitteren Ende.
Mein groesster Druck galt dem urdeutschen Dessert. Doch auch dieses haette ab sofort auf Vollzeitbasis modeln koennen, so sehr wurde es in den Himmel gelobt. Was konnte jetzt noch schief gehen. Justins Dad brachte ruecksichtslos  mehrere Flaschen Tequila an den Tisch. “Wundere dich nicht, meine Eltern koennen saufen wie Loecher”, hallten Justins einstige Worte in meinen Ohren.
‘Nein’ sagen bedeutete nun als spiessige Langeweilerin abgestempelt zu werden. ‘Ja’ sagen koennte meinen Ruf als Schwiegermamas Liebling gegebenenfalls fuer immer ruinieren. Ich schluckte einige Male schwer und setzte anschliessend das erste Glas an.

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