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Zwischen Truthahnbrust und deutscher Schokotarte
Die Umarmung war herzlich und vertraut. Sie war Nahe der
zweiten und in direkter Verwandschaft zur dritten imaginaeren Umarmung, die ich
mir ausgemalt hatte. Zunaechst wurde ich herzhaft gedrueckt, dann mit Komplimenten
ueberschuettet. Die Mum schien sich ehrlich zu freuen, mich kennenzulernen.
Es gibt einige grundlegende Unterschiede einer deutschen
ersten Begegnung, im Gegensatz zu einer amerikanischen. Der Deutsche wuerde
vermutlich die Hand geben oder unter starkem Alkoholeinfluss mit Delirium
gegebenenfalls eine Umarmung mit Sicherheitsabstandes beider Unterkoerper
vollziehen (Es wird so steif durchgefuehrt, wie es klingt!). Dann wuerde er
sich vorstellen und kundtun, dass er sich sehr ueber deinen Besuch freue (…wenn
sprechen noch moeglich). Nachdem du allerdings
von einem Amerikaner begruesst wurdest, ueberlegst du wahrhaftig, warum du
einen ‘gescheiten’ Beruf gewaehlt hast und kein Topmodel geworden bist. Du
wirst ueberhaeuft mit Komplimenten ueber dein wahnsinniges Aussehen.
Nachdem Justins Mum dies getan hatte, galt es
herauszukristallisieren, ob sie jetzt wohl ein Gegenkompliment erwarten wuerde.
Aber: Ja du hast auch wunderschoene Augen und eine klasse Figur fand ich dann
doch etwas plump. Warum sich dann nicht deutsch und schuechtern fuer die
Gastfreundschaft bedanken. “Das ist doch gar kein Problem, fuehle dich wie
zuhause.” Ahhh, wie ich das hasste. Was grundsaetzlich so grosszuegig
aufwartete, katapultierte einen schnell in eine Zwickmuehle. Sollte ich mich
wirklich am Kuehlschrank bedienen, wann immer mir danach war und dem Dad
gegebenenfalls seine letzte Bierflasche leer trinken? (Nicht, dass ich das bei
dem amerikanischenen Urinal je in Erwaegung gezogen haette) Dabei wuerde ich
mich unweigerlich unwohl fuehlen. Oder sollte ich mein Anliegen vorbringen,
obwohl mir ja zuvor gesagt wurde, ich koenne mich bedienen. Dabei wuerde ich
mich unweigerlich unwohl fuehlen. Also egal wie ich es machte, am Ende wuerden
sich meine Wangen zartrosa faerben und ich wuerde wie ein Depp dastehen. Resuemierend
brachte mich diese ausweglose Situation dazu im Notfall zu hungern und
stuendlich auf dem WC aus dem Hahn etwas zu Trinken abzuzapfen.
Themenwechsel: Wie gefaellt man eigentlich Schwiegereltern
in Spe innerhalb von einer Minute. Beim Dad ist das easy. Er muss bloss denken:
Gut gemacht mein Junge, die haette ich an deiner Stelle auch geknallt! Bei der
Mum ist das Ganze etwas anspruchsvoller. Man koennte vermutlich eine
vielseitige Studie darueber schreiben. Meine Aufmerksamkeit muss gleichermassen
unter ihr und ihrem Sohn aufgeteilt werden. Soweit die Theorie, hier die
Praxis. Vater: done! Mutter: Ich wandte hemmungslos den gaengisten Trick an und
drueckte ihr kleine Paeckchen von deutschen Teevariationen in die Hand und
bemerkte anbei: “Justin hat mir verraten, wie sehr du Tee liebst?!” Dann wandte
ich mich Justin zu, kraulte ihm den Nacken und kuesste ihn zaertlich auf die
Wange. Mission completed!
Mein Beitrag zum Thanksgivingsmenue war die Zubereitung
eines typisch deutschen Desserts. Justin bat mich darum, als ich noch in
Deutschland war. Da Kochen und Backen zu meinen grossen Passionen gehoert,
durfte das kein grosses Problem darstellen. Jedoch war nach dem googlen der ‘Bayrisch
Crème’ meine Phantasie diesbezueglich ausgeschoepft. Warum dann nicht einfach
etwas franzoesisches als deutsch verkaufen? Wem sollte das schon auffallen? Ich
entschied mich fuer eine ‘Tarte au Chocolat an Himbeerbaiser’, welches ich ganz
Bott als ‘Schokoladenkuchen mit Himbeerschlag’ verkaufte. Wohlklingend, wie die
deutsche Sprache halt ist, damit es mir auch jeder abnahm.
Also stiefelten Justin und ich nach einem kurzen, deftigen
Fruehstueck los, um einzukaufen. Gute deutsche Schokolade und Baiser hatte ich
bereits aus Deutschland mitgebracht. Kaum vorstellbar, welch Drama der Beamte
am Flughafen veranstaltet hatte, als ich ihm erzaehlte, ich haette eine
Suessigkeit mit Ei und Zucker in Gepaeck. “Wie bitte, sie haben Eier mit?”,
fragte er entlarvend.
“Werde ich jetzt verhaftet?”, schoss es mir ironisch durch
den Kopf. Amerika, das Land in dem jegliche Art von Waffen erlaubt sind, aber
Eier ein Problem darstellen? Kleiner Kick zwischen die Beine und es sind noch zwei
Eier weniger, schmunzelte ich amuesiert gruebelnd. Im Endeffekt haben wir beide
unsere zuckersuessen Eier behalten.
Die Lebensmittel waren wider erwarten schnell beisammen, an
der Marmelade waere es fast gescheitert (jam, nicht marmalade!).
Waehrend der Zubereitung begann ich bereits Weisswein zu
trinken. Zur Vollstaendigkeit halber, ich hatte nicht danach gefragt, er wurde
mir angeboten (Zwickmuehle und so, siehe oben).Ich hoffte instaendig, dass es
diesmal keinen Grund fuer mich gab, beleidigt zu sein. Damit wuerde ich mich
direkt ins Aus katapultieren. Zu meiner Erleichterung bemerkte ich, dass der
Alkohol mich heute eher locker, denn aggressiv machte. Als es klingelte, stand
Justins Schwester mit ihren beiden Kindern vor der Tuer. Auch sie ueberhaeufte
mich mit Komplimenten. Waehrend die Mum ihren Fokus eher auf Haare und Body
legte, rueckte die Schwester die wunderschoenen Lippen und die kleine Stupsnase
in den Fokus. Congratulations, ich schien rundum perfekt zu sein. J
Die Kinder speiste ich, im wahrsten Sinne des Wortes, mit
einem riesigen Kinderschokoei ab(Ups, ich hatte geschwindelt, da waren ja noch
mehr Eier im Koffer). Urspruenglich waren es mal zwei gewesen, aber hattet ihr
schonmal nachts ploetzlich Heisshunger? Auch ihr ‘Yes’ zu ihrem Onkel hatte ich
bereits. Fast zu einfach, um wahr zu sein.
Etwas angeschwipst setzte ich mich an den grossen runden
Tisch, um zum ersten Mal im Leben einen zuenftigen Truthahn zu verputzen. Also
mit etwas Hilfe der anderen natuerlich. Er wurde mit Bohnen und
Suesskartoffelpueree gereicht. Es schmeckte grossartig. Nur war ich so
angespannt, dass der Hunger, weitesgehend ausblieb. Trotzdem spachtelte ich
todesmutig bis zum bitteren Ende.
Mein groesster Druck galt dem urdeutschen Dessert. Doch auch
dieses haette ab sofort auf Vollzeitbasis modeln koennen, so sehr wurde es in
den Himmel gelobt. Was konnte jetzt noch schief gehen. Justins Dad brachte
ruecksichtslos mehrere Flaschen Tequila
an den Tisch. “Wundere dich nicht, meine Eltern koennen saufen wie Loecher”,
hallten Justins einstige Worte in meinen Ohren.
‘Nein’ sagen bedeutete nun als spiessige Langeweilerin
abgestempelt zu werden. ‘Ja’ sagen koennte meinen Ruf als Schwiegermamas
Liebling gegebenenfalls fuer immer ruinieren. Ich schluckte einige Male schwer
und setzte anschliessend das erste Glas an.
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