Mittwoch, 4. Februar 2015


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Back to reality
Die ersten Tage meines “Liebesexperiments” standen vollkommen im Zeichen der Harmonie. Ich liess mich von seinen Plaenen leiten, die er ganz in meinem Sinne geschmiedet hatte. Er zeigte mir die schoensten Ecken Suedkaliforniens, waehrend  dennoch genug Zeit fuer das Fummeln zwischendurch blieb. Wir lachten beinahe ununterbrochen, obwohl man ja meinen koennte, dass die Sprachbarriere einem im Weg stuende. Mit nichten! Na gut, die ein oder andere Pointe setzte man mal etwas verzoegert und der Witz kam irgendwie nicht wirklich rueber. “German-Joke?”, fragte Justin dann zumeist und ich nickte nur kichernd. Und zwischendurch machten wir uns auch ueber gerade diese Barrieren lustig:”Are you speaking Chinese baby?”, zog Justin mich manchmal auf. Wir planten sogar ueber Thanksgiving zu seinen Eltern zu fahren, die nahe San Francisco lebten. Endlich mal die Chance meine Karte als Schwiegermamas Liebling auszuspielen, mein Ex hatte mir seine Familie dreieinhalb Jahre lang (!!!) vorenthalten. Oder mich seiner Familie.
Es war nun also nahezu perfekt! Waehrend ich gedanklich schon mindestens beim Heiratsantrag auf der Pier von Santa Monica angelangt war (man denkt so schrecklich kitschig, wenn man verliebt ist), knickten vor uns die Palmenwedel ein und versperrten uns die Sicht auf das, was vor uns lag. Wow, diese Metapher haette Potential, um im Deutsch-LK fuenfseitig analysiert zu werden.
Es war inzwischen Montag und waehrend Justin den ganzen Tag im Buero verbrachte, vertrieb ich mir die Stunden mit ca. drei Stunden skypen (ich bin sehr mitteilungsbeduerftig, wen wundert’s), schlafen, sonnen, wieder schlafen, drei Stunden stylen (um danach so aussehen, als waere es eine halbe gewesen)…-war das jetzt die richtige Reihenfolge? Vielleicht habe ich auch erst geschlafen, dann geskyped und…naja whatever. Als Justin dann aus der Arbeit kam fuehlte ich mich herrlich entspannt. Wir gingen flott einkaufen, denn wir planten Barbeque am Pool. Barbeque ist in Kalifornien unfassbar beliebt, muss am Wetter liegen. Oder daran, dass es so schoen ungesund ist. Oder daran, dass in rauen Mengen gegrillt wird. Oder daran, dass es so kalorienreich ist. Ok, jetzt wiederhole ich mich.
Wir bereiteten Fleisch und Gemuese im Apartment vor und schlenderten mit Weinflasche unterm Arm gemuetlich zum Pool. Die Stimmung war fabuloes. Die warmen Lichter um das Becken herum, das Feuer des Kamins und der teure Merlot liessen mich daran glauben, der Heiratsantrag koennte hier und jetzt stattfinden. Justin kramte in seiner Hosentasche. Mein Herz pochte. Ups, nur das Feuerzeug. Verbrannt! Na dann halt doch am Strand von Santa Monica. Alles fuehlte sich gut an, ich war tiefenentspannt. Wer mich kennt weiss, dass das nicht gerade oft der Fall ist. Aber ich schaffte es in diesem Moment ganz im Hier und Jetzt zu sein. Doch dann, ganz ploetzlich wurden aus den zahmen Laemmchen (ich uebertreibe), zwei meckernde, sich raufende Ziegenboecke (ich uebertreibe nicht). Das Dilemma begann damit, dass Justin mich fragte, was los sei mit mir. Ich richtete meinen Blick auf ihn und entgegnete irritiert: “Nichts, was soll los sein?” Ich bin ein Mensch, der sehr harmoniebedueftig ist. Bis zu einem gewissen Punkt lasse ich mich reizen, ohne dass ich aus der Haut fahre. Diese Schwelle sinkt aber rapide ab, sobald ich unter mehr oder weniger starkem Einfluss von Alkohol stehe. “Du bist so komisch!”, antwortete Justin. Ok, Schwelle ueberschritten, Fass laeuft ueber. “Wieso bin ich komisch? Ich bin lediglich entspannt. Lass mich doch bitte einfach mal diese wunderschoene Stimmung geniessen”, bellte ich zurueck. Zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung dann allerdings schon im Keller. “Warum bist du denn so zickig. Ich frage ja nur, weil du so komisch bist!” Autsch, wenn er noch weiter in der Wunde bohren wuerde, stiesse er auf den Knochen. “Ich bin komisch? Du bist komisch!”, lallte ich angetrunken. Mist, wie konnte ich die Atmosphaere jetzt noch kitten? “Tut mir leid!”, wisperte ich resignierend. “Manchmal bekommt mir Alkohol nicht so gut.” “Das merke ich!”, zischte er beleidigt.
Warum schafften es die Maenner eigentlich immer die Situation so umzudrehen, dass ich mich im Endeffekt entschuldigte. Warum konnte sich denn kein Kerl einfach mal bei mir entschuldigen! Schon seit Jahren nicht mehr. Den Einzigen, den ich wirklich gut im Griff hatte, war mein Papa. Bei ihm musste ich allerdings auch nicht die Angst haben, dass er Schluss machen koennte.
Die Stimmung, sowie auch wir froestelten, also gingen wir pikiert zurueck in Justins Wohnung. Ich entschuldigte mich erneut (es muss ein verdammter Fluch sein) und irgendwann schlummerten wir betrunken, Arm in Arm auf der Couch ein. Als ich einige Zeit spaeter wieder aufwachte, war mein schlechtes Gefuehl noch immer nicht verschwunden. Zurecht? Im Halbdunkeln tastete ich nach meinem Handy und hatte ploetzlich seins in der Hand. Ohne wirklich darueber nachzudenken drueckte ich den Home-Button, als mich vor Enttaeuschung eine Welle der Uebelkeit ueberkam. Die Nachricht seines besten Freundes leuchtete grell und ruecksichtslos in meine mueden Augen. Dort stand: “Sei ehrlich bro, hast du noch Gefuehle fuer deine Ex?” Ich konnte Kevins Stimmlage bei der Formulierung der Nachricht deutlich hoeren, als wuerde er mir den Satz direkt ins Ohr kreischen. Alles zog sich zusammen. Geschockt warf ich das Handy auf die Couch zurueck. Schon vorher hatte ich ein komisches feeling im Bezug auf die Exfreundin gehabt, da er mich stetig zu ueberfueren glaubte, ich haette noch Gefuehle fuer meinen Ex-Bloedmann. Vielleicht, weil er von sich auf andere schloss?! Nicht genug Fehler gemacht heute, da ging noch mehr. Der Naechste war nicht nur fahrlaessig, er war vorsaetzlich leichtsinnig. “Baby, kann ich dich was fragen?, murmelte ich. Justin schreckte auf. “Huh?”, prustete er. “Hast du noch Gefuehle fuer deine Ex-Freundin? Kevin glaubt das, hat er dir geschrieben.” Auweia, geredet, bevor nachgedacht. Das wuerde vermutlich gewaltig schief laufen. Es lief noch viel schiefer. “Du hast jetzt nicht ernsthaft in meinem Handy gestalkt?”, bruellte er mich an. Ich zuckte erschrocken zusammen. “Nein, das wuerde ich nie machen, nur ein bisschen auf dem Display”, kaeme als Ausrede vermutlich lahm. Lasse ich das! Von Hochzeitsplaenen zur Scheidung innerhalb weniger Stunden. Welcome to Las Vegas und Umgebung!
“Das ist laecherlich. Du bist laecherlich!” Der hatte gesessen. Ich fing zu heulen an, wie ein beleidigtes Kleinkind. Ich hatte kein Mitleid zu erwarten. Im Gegenteil!
“Ich wollte eine Europaeerin, weil ich dachte, die waeren anders, aber du bist genauso wie die Amerikanerinnen!” Er war ausser sich. Ich flennte noch mehr. Etwas naiv von ihm gedacht, immerhin war ich auch nur eine Frau. Und aeusserst oberflaechlich geplant noch dazu. Vielleicht wuerde mein Vater doch rechbehalten mit seiner Annahme.
“Was heisst das jetzt?”, murmelte ich eingeschuechtert.
“Ich moechte dich so nicht meinen Eltern vorstellen. Entweder du nimmst einen frueheren Flug nach Hause, oder wir bleiben beide hier in Irvine. “
Der hatte gesessen. Voellig aufgeloest rief ich meine Familie an und berichtete, auf deutsch, heulend und direkt neben ihm. Das empfand er vollends als Beleidigung. Richtig konnte ich in diesem Moment ohnehin nichts mehr machen.
“Weisst du, was ich Kevin geantwortet habe?”, fragte er anschliessend erbost. Ich zuckte unsicher mit den Schultern. “No Way!”, kreischte er. “Absolutely no way!” Vielleicht hatte Kevin etwas vermutet, wo es gar nichts zu vermuten gab. Ich resignierte. Das wuerde eine schreckliche Nacht werden, geplagt von der Angst, der Traum von einer interkontinenalen Beziehung waere geplatzt und der vagen Hoffnung, dass ein Wunder geschehen wuerde. Das Wunder geschah schon am naechsten Vormittag!

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