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Back to reality
Back to reality
Die ersten Tage meines “Liebesexperiments” standen
vollkommen im Zeichen der Harmonie. Ich liess mich von seinen Plaenen leiten,
die er ganz in meinem Sinne geschmiedet hatte. Er zeigte mir die schoensten
Ecken Suedkaliforniens, waehrend dennoch
genug Zeit fuer das Fummeln zwischendurch blieb. Wir lachten beinahe
ununterbrochen, obwohl man ja meinen koennte, dass die Sprachbarriere einem im
Weg stuende. Mit nichten! Na gut, die ein oder andere Pointe setzte man mal
etwas verzoegert und der Witz kam irgendwie nicht wirklich rueber.
“German-Joke?”, fragte Justin dann zumeist und ich nickte nur kichernd. Und
zwischendurch machten wir uns auch ueber gerade diese Barrieren lustig:”Are you
speaking Chinese baby?”, zog Justin mich manchmal auf. Wir planten sogar ueber
Thanksgiving zu seinen Eltern zu fahren, die nahe San Francisco lebten. Endlich
mal die Chance meine Karte als Schwiegermamas Liebling auszuspielen, mein Ex
hatte mir seine Familie dreieinhalb Jahre lang (!!!) vorenthalten. Oder mich
seiner Familie.
Es war nun also nahezu perfekt! Waehrend ich gedanklich
schon mindestens beim Heiratsantrag auf der Pier von Santa Monica angelangt war
(man denkt so schrecklich kitschig, wenn man verliebt ist), knickten vor uns
die Palmenwedel ein und versperrten uns die Sicht auf das, was vor uns lag.
Wow, diese Metapher haette Potential, um im Deutsch-LK fuenfseitig analysiert
zu werden.
Es war inzwischen Montag und waehrend Justin den ganzen Tag
im Buero verbrachte, vertrieb ich mir die Stunden mit ca. drei Stunden skypen
(ich bin sehr mitteilungsbeduerftig, wen wundert’s), schlafen, sonnen, wieder
schlafen, drei Stunden stylen (um danach so aussehen, als waere es eine halbe
gewesen)…-war das jetzt die richtige Reihenfolge? Vielleicht habe ich auch erst
geschlafen, dann geskyped und…naja whatever. Als Justin dann aus der Arbeit kam
fuehlte ich mich herrlich entspannt. Wir gingen flott einkaufen, denn wir planten
Barbeque am Pool. Barbeque ist in Kalifornien unfassbar beliebt, muss am Wetter
liegen. Oder daran, dass es so schoen ungesund ist. Oder daran, dass in rauen
Mengen gegrillt wird. Oder daran, dass es so kalorienreich ist. Ok, jetzt
wiederhole ich mich.
Wir bereiteten Fleisch und Gemuese im Apartment vor und
schlenderten mit Weinflasche unterm Arm gemuetlich zum Pool. Die Stimmung war
fabuloes. Die warmen Lichter um das Becken herum, das Feuer des Kamins und der
teure Merlot liessen mich daran glauben, der Heiratsantrag koennte hier und
jetzt stattfinden. Justin kramte in seiner Hosentasche. Mein Herz pochte. Ups,
nur das Feuerzeug. Verbrannt! Na dann halt doch am Strand von Santa Monica.
Alles fuehlte sich gut an, ich war tiefenentspannt. Wer mich kennt weiss, dass
das nicht gerade oft der Fall ist. Aber ich schaffte es in diesem Moment ganz
im Hier und Jetzt zu sein. Doch dann, ganz ploetzlich wurden aus den zahmen
Laemmchen (ich uebertreibe), zwei meckernde, sich raufende Ziegenboecke (ich
uebertreibe nicht). Das Dilemma begann damit, dass Justin mich fragte, was los
sei mit mir. Ich richtete meinen Blick auf ihn und entgegnete irritiert:
“Nichts, was soll los sein?” Ich bin ein Mensch, der sehr harmoniebedueftig
ist. Bis zu einem gewissen Punkt lasse ich mich reizen, ohne dass ich aus der
Haut fahre. Diese Schwelle sinkt aber rapide ab, sobald ich unter mehr oder
weniger starkem Einfluss von Alkohol stehe. “Du bist so komisch!”, antwortete
Justin. Ok, Schwelle ueberschritten, Fass laeuft ueber. “Wieso bin ich komisch?
Ich bin lediglich entspannt. Lass mich doch bitte einfach mal diese
wunderschoene Stimmung geniessen”, bellte ich zurueck. Zu diesem Zeitpunkt war
die Stimmung dann allerdings schon im Keller. “Warum bist du denn so zickig.
Ich frage ja nur, weil du so komisch bist!” Autsch, wenn er noch weiter in der
Wunde bohren wuerde, stiesse er auf den Knochen. “Ich bin komisch? Du bist
komisch!”, lallte ich angetrunken. Mist, wie konnte ich die Atmosphaere jetzt
noch kitten? “Tut mir leid!”, wisperte ich resignierend. “Manchmal bekommt mir
Alkohol nicht so gut.” “Das merke ich!”, zischte er beleidigt.
Warum schafften es die Maenner eigentlich immer die
Situation so umzudrehen, dass ich mich im Endeffekt entschuldigte. Warum konnte
sich denn kein Kerl einfach mal bei mir entschuldigen! Schon seit Jahren nicht
mehr. Den Einzigen, den ich wirklich gut im Griff hatte, war mein Papa. Bei ihm
musste ich allerdings auch nicht die Angst haben, dass er Schluss machen
koennte.
Die Stimmung, sowie auch wir froestelten, also gingen wir
pikiert zurueck in Justins Wohnung. Ich entschuldigte mich erneut (es muss ein
verdammter Fluch sein) und irgendwann schlummerten wir betrunken, Arm in Arm
auf der Couch ein. Als ich einige Zeit spaeter wieder aufwachte, war mein schlechtes
Gefuehl noch immer nicht verschwunden. Zurecht? Im Halbdunkeln tastete ich nach
meinem Handy und hatte ploetzlich seins in der Hand. Ohne wirklich darueber
nachzudenken drueckte ich den Home-Button, als mich vor Enttaeuschung eine
Welle der Uebelkeit ueberkam. Die Nachricht seines besten Freundes leuchtete
grell und ruecksichtslos in meine mueden Augen. Dort stand: “Sei ehrlich bro,
hast du noch Gefuehle fuer deine Ex?” Ich konnte Kevins Stimmlage bei der
Formulierung der Nachricht deutlich hoeren, als wuerde er mir den Satz direkt ins
Ohr kreischen. Alles zog sich zusammen. Geschockt warf ich das Handy auf die
Couch zurueck. Schon vorher hatte ich ein komisches feeling im Bezug auf die
Exfreundin gehabt, da er mich stetig zu ueberfueren glaubte, ich haette noch
Gefuehle fuer meinen Ex-Bloedmann. Vielleicht, weil er von sich auf andere schloss?!
Nicht genug Fehler gemacht heute, da ging noch mehr. Der Naechste war nicht nur
fahrlaessig, er war vorsaetzlich leichtsinnig. “Baby, kann ich dich was
fragen?, murmelte ich. Justin schreckte auf. “Huh?”, prustete er. “Hast du noch
Gefuehle fuer deine Ex-Freundin? Kevin glaubt das, hat er dir geschrieben.”
Auweia, geredet, bevor nachgedacht. Das wuerde vermutlich gewaltig schief
laufen. Es lief noch viel schiefer. “Du hast jetzt nicht ernsthaft in meinem
Handy gestalkt?”, bruellte er mich an. Ich zuckte erschrocken zusammen. “Nein,
das wuerde ich nie machen, nur ein bisschen auf dem Display”, kaeme als Ausrede
vermutlich lahm. Lasse ich das! Von Hochzeitsplaenen zur Scheidung innerhalb
weniger Stunden. Welcome to Las Vegas und Umgebung!
“Das ist laecherlich. Du bist laecherlich!” Der hatte
gesessen. Ich fing zu heulen an, wie ein beleidigtes Kleinkind. Ich hatte kein
Mitleid zu erwarten. Im Gegenteil!
“Ich wollte eine Europaeerin, weil ich dachte, die waeren
anders, aber du bist genauso wie die Amerikanerinnen!” Er war ausser sich. Ich
flennte noch mehr. Etwas naiv von ihm gedacht, immerhin war ich auch nur eine
Frau. Und aeusserst oberflaechlich geplant noch dazu. Vielleicht wuerde mein
Vater doch rechbehalten mit seiner Annahme.
“Was heisst das jetzt?”, murmelte ich eingeschuechtert.
“Ich moechte dich so nicht meinen Eltern vorstellen.
Entweder du nimmst einen frueheren Flug nach Hause, oder wir bleiben beide hier
in Irvine. “
Der hatte gesessen. Voellig aufgeloest rief ich meine
Familie an und berichtete, auf deutsch, heulend und direkt neben ihm. Das
empfand er vollends als Beleidigung. Richtig konnte ich in diesem Moment
ohnehin nichts mehr machen.
“Weisst du, was ich Kevin geantwortet habe?”, fragte er
anschliessend erbost. Ich zuckte unsicher mit den Schultern. “No Way!”,
kreischte er. “Absolutely no way!” Vielleicht hatte Kevin etwas vermutet, wo es
gar nichts zu vermuten gab. Ich resignierte. Das wuerde eine schreckliche Nacht
werden, geplagt von der Angst, der Traum von einer interkontinenalen Beziehung waere
geplatzt und der vagen Hoffnung, dass ein Wunder geschehen wuerde. Das Wunder
geschah schon am naechsten Vormittag!
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